Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
Geschlechtskrankheit ebenso unheilbar war wie Aids in seiner eigenen Zeit und oft genug auch gleichfalls tödlich verlief.
    Nicht ohne Bedauern schüttelte er den Kopf. »Danke, ich brauche wirklich nur eine Brosche.«
    Die Frau schob eine widerspenstige jettschwarze Haarlocke unter ihr Kopftuch zurück, holte einen kleinen Holzkasten unter einem Kleiderstapel hervor und kramte in dem darin enthaltenen Wust von Knöpfen, Gürtelschnallen und anderen Gegenständen herum. Schließlich hielt sie eine schlichte Stahlbrosche in die Höhe, einen schmucklosen Reif, der vier Zoll im Durchmesser messen mochte und mit einer langen, dicken Nadel versehen war. »Wie wäre es damit? Vier Pence.«
    Dylan kniff die Augen zusammen und schnaubte verächtlich. »Ihr beliebt zu scherzen. Drei Farthings.«
    Zur Antwort warf die Frau die Brosche wortlos in den Kasten zurück.
    »Also gut, einen Penny, aber nicht mehr. So dringend brauche ich die Brosche nun auch wieder nicht. Ich möchte nämlich wetten, dass dort drüben in dem Zaun ein paar lose Nägel stecken.« Er deutete auf eine Reihe grauer Holzlatten am Straßenrand, von denen einige bereits völlig verrottet waren. Zur Not konnte er einen Nagel aus dem morschen Holz ziehen und sich damit behelfen, bis er eine Brosche zu einem erschwinglichen Preis fand.
    Nach kurzer Überlegung gab die Frau nach und reichte ihm die Brosche. Er händigte ihr ein einzelnes Silber stück aus. Die Händlerin setzte ihren Weg fort und pries dabei lautstark ihre Waren an. Ihre schrille, durchdringende Stimme übertönte sogar den Straßenlärm und tat Dylan in den Ohren weh.
    Dylan blieb stehen und nestelte an seinem Plaid herum. So, wie er ihn gewöhnlich zu tragen pflegte - über die Schultern drapiert und dann lose über den Rücken geworfen -, fielen ihm die Stoffenden im Moment bis zu den Kniekehlen und behinderten ihn beim Laufen. Also raffte er den Stoff an der Schulter zusammen, ließ das Ende über den Rücken hängen und schob einen Teil des rostroten Plaids zusammen mit dem Zipfel des schwarzen Wollmantels durch den Stahlring, bohrte die Nadel durch die Stofflagen und befestigte sie. Nun reichte ihm das Ende des Plaids nur noch bis zur Hälfte des Rückens.
    Zuletzt knöpfte er die Mantelärmel zu. Die Knöpfe, zwei an jedem Ärmel, waren aus vom Alter leicht vergilbtem Elfenbein geschnitzt. Wenn es wieder wärmer wurde, konnte er sie öffnen und die Ärmel ein Stück zurückschieben, damit die Hemdmanschetten zu sehen waren. Einen Moment lang wünschte er, er hätte das weiße Leinenhemd noch, dass Cait vor fast zwei Jahren für ihn genäht und bestickt hatte und das in der Burg von Glen Ciorram zurückgeblieben war. Seufzend zog er die Mantelärmel über die schlichten Manschetten des Hemdes, das er aus seiner eigenen Zeit mitgebracht hatte. Bislang war es ihm erspart geblieben, eine Erklärung hinsichtlich der ungewöhnlich feinen Nähte abgeben zu müssen, und er legte auch keinen Wert darauf. Hätte er von den technischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts - zum Beispiel Nähmaschinen - gesprochen, hätte man ihn der Hexerei bezichtigt. Also hielt er es für sicherer, die Hemdmanschetten zu bedecken.
    Er ließ sich auf einem Holzklotz nieder, um auf seinen Arbeitgeber zu warten, und zog fröstelnd den Kragen seines Mantels ein Stück höher. Wieder ärgerte er sich darüber, dass er seine blaue Kappe auf dem Schlachtfeld von Sheriffmuir verloren hatte, aber nicht so sehr, dass er gewillt war, Edinburgher Preise zu bezahlen, um eine neue zu erwerben.
    Als Ramsay aus dem Haus kam und zu seinem Büro zurückkehrte, folgte Dylan ihm schweigend.
    Die Abende verbrachte er allein in seinem Zimmer im Gasthaus, aß, trank, legte sich zum Schlafen nieder und erhob sich am nächsten Morgen, um einen weiteren Tag im Dienst eines Mannes durchzustehen, den er aus tiefster Seele verabscheute.
    Zum Ende der Woche hin wurden die Tage kürzer, die Wintersonnenwende rückte näher, und er musste den Weg zum Gasthaus im Dunkeln zurücklegen. Zu dieser Zeit traf er nur wenige Menschen auf der Straße an, diejenigen, die einem ehrlichen Tagewerk nachgingen, waren bereits daheim, und die Nachtschwärmer kamen erst später zum Vorschein. Dylan blieb einen Moment stehen und lauschte den fröhlichen Fiedelklängen, die aus einer Schenke bis auf die Straße drangen. Obwohl die Kälte sein Gesicht und seine Knie rötete, begrüßte er den Frost, der dem fauligen Gestank in den Gassen von Edinburgh hoffentlich

Weitere Kostenlose Bücher