Die Verbannung
wollte, dass nicht noch weitere Gegner im Dunkeln Lauerten.
Schließlich wischte er Brigid an seinem Kilt ab und schob sie und das Schwert in ihre Scheiden zurück. Erschöpft betrat er das Hogshead Inn und begab sich in den Schankraum, wobei er sich fragte, was dieser Überfall zu bedeuten hatte und wer der zweite Angreifer gewesen sein könnte. Nun, vielleicht würde er das noch herausfinden. Er ließ sich etwas zu essen geben und stieg dann tief in Gedanken versunken die Stufen zu seinem Zimmer empor.
Am nächsten Tag suchte Ramsay erneut das geheimnisvolle Haus auf, zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen. Diesmal erhaschte Dylan einen Blick auf die Frau, die ihm die Tür öffnete. Sie war sehr schlank, fast schon mager, schien noch jung zu sein und trug ein hellblaues Seidenkleid. Ihr schwarzes Haar war mit Juwelen geschmückt, und beim Lächeln entblößte sie strahlend weiße, makellose Zähne. Der schmachtende Blick, mit dem sie Ramsay empfing, verriet Dylan, dass sein Arbeitgeber eine Affäre mit ihr hatte. Er fragte sich, ob sie wohl verheiratet war, bezweifelte das aber, denn sonst hätte Ramsay wohl größere Diskretion walten lassen und nicht am helllichten Tag an ihre Tür geklopft. Wahrscheinlich handelte es sich bei der Frau um eine Hure, die er aushielt.
Diesmal erstand Dylan, während er wartete, bei einem Möbeltischler, der ganz in der Nähe seine Werkstatt hatte, ein Stück Hartholz und zückte seinen sgian dubh, um sich die Zeit mit Schnitzen zu vertreiben, während Ramsay anderweitig beschäftigt war. Es kostete ihn große Willenskraft, nicht an Cait zu denken, die mit diesem elenden Hurenbock verheiratet war. Jeder Gedanke an Cait versetzte ihn unweigerlich in eine Stimmung, die ihm den Umgang mit Ramsay nicht gerade erleichterte und ihn auch seinem Ziel, Cait von ihm fortzuholen, nicht näher brachte.
Die nächsten Tage verliefen ähnlich eintönig. Tagsüber begleitete er seinen Arbeitgeber auf Schritt und Tritt, abends kehrte er in das Gasthaus zurück, aß etwas und ging dann sofort zu Bett. Eines Tages jedoch musterte ihn Felix verstohlen, als er das Büro betrat, und erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch. »Es interessiert Euch vielleicht, dass Euer Vorgänger tot ist.«
Dylan blieb wie angewurzelt stehen. Erstens sprach Felix nur selten, und wenn, dann nicht mit ihm, daher konnte er seine Überraschung darüber, direkt angeredet zu werden, kaum verbergen, und zweitens war die Nachricht von Simpsons Tod nicht gerade erfreulich, auch wenn der Mann sein Schicksal selbst herausgefordert hatte. Er setzte eine betont ausdruckslose Miene auf und fragte höflich: »Tut mir Leid, das zu hören. Woran ist er denn gestorben?«
Felix' Augen wurden schmal. »Er ist verblutet, vor drei Tagen schon.« Das klang so anklagend, dass Dylan sich zu fragen begann, in welcher Beziehung der Sekretär zu Simpson gestanden hatte.
Er straffte sich, hob das Kinn und zog den Saum seines Mantels über den breiten Gürtel, der seinen Kilt hielt. »Ist wohl wegen irgendwelcher Beschwerden zu einem dieser Quacksalber gerannt, und der hat ihm einen Schröpfkopf zu viel aufgesetzt, was?«
»Nein, er wurde erstochen. In einem Kampf auf offener Straße.« Ein schneidender Unterton schwang in Felix' Stimme mit.
Dylan dachte an die betreffende Nacht zurück und versuchte sich das Wenige ins Gedächtnis zu rufen, was er von dem zweiten Angreifer hatte sehen können. Das Gesicht hatte er nicht erkannt, aber nun hielt er es für möglich, dass es sich bei dem anderen Mann um Felix gehandelt haben könnte. Auch seine Stimme klang nun eine Spur schärfer, als er erwiderte: »Dann hätte der gute Simpson in der Wahl seiner Gegner etwas vorsichtiger sein sollen.« Er trat einen Schritt auf Felix zu und beugte sich so bedrohlich vor, dass der junge Mann sich hastig hinter seinen Schreibtisch zurückzog. Nahezu unhörbar fügte er hinzu: »Diesen Rat sollte sich übrigens jeder Mann zu Herzen nehmen.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und betrat Ramsays Büro.
Eine Woche nachdem er sie fortgeschickt hatte, fand sich Sinann wieder bei ihm ein. Er saß in seinem Zimmer und verzehrte seine Abendmahlzeit, die er in Ermangelung eines anderen Platzes wie üblich auf dem Fensterbrett abgestellt hatte, als sie wie aus dem Nichts hinter ihm auftauchte. »Ich habe sie gefunden!«, krähte sie triumphierend.
Dylans Hand hatte sich schon um den Dolch unter seinem Kopfkissen geschlossen, bevor ihm klar wurde, dass es
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