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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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er durfte sie nicht in dem Glauben lassen, dass er den Lauf der Geschichte verändern konnte.
    »Sinann, ich bin hergekommen, um meinen Sohn vor drohendem Unheil zu bewahren.« Er kratzte sich am Kinn und ließ sich auf dem Bett nieder. »Ich will zwei Menschen retten. Cait und Ciaran. Sonst niemanden. Ich bin kein Held, Tink, kein zweiter Cuchulain. Ich weiß zwar, was geschehen wird, aber ich kann es nicht abwenden. Ich konnte den Ausgang der Schlacht von Sheriffmuir nicht ändern, und ich kann auch die Highland Clearances* nicht verhindern, die auf dieses Land zukommen.«
    Sinann schwieg eine Weile, dann sagte sie mit weicher Stimme: »Vielleicht hat dich das verwunschene Schwert ja aus einem ganz anderen Grund hergebracht.«
    Dylan musterte sie forschend. »Als da wäre?«
    Die Fee hob die schmalen Schultern. »Ich weiß es nicht genau. Aber denk einmal darüber nach.«
    Dylan räusperte sich. »In Ordnung, Tink.« Dann blies er die Kerze aus und kroch ins Bett. Da die Matratze ihm so hügelig vorkam wie das schottische Hochland rollte er sich so lange herum, bis er die Kuhle gefunden hatte, die andere Körper in dem klumpigen Stroh hinterlassen hatten. Zumindest war das Bettzeug sauber, und da der Raum so klein war, spendete das Kaminfeuer eine angenehme Wärme. Wohlige Benommenheit stieg in ihm auf.
    »Noch etwas«, flüsterte Sinann. »Ramsay ist längst nach Hause gegangen, und du sprichst immer noch Englisch.«
    Dylan runzelte die Stirn. So ungern er es auch zugab, sie hatte Recht. Er grunzte unwillig, dann murmelte er: »Mar sin leat, a Shinann.« Die Fee kicherte, und er drehte sich auf die Seite und schlief augenblicklich ein.
    Am nächsten Tag machte er sich auf den Weg zu Ramsays Büro. Er irrte durch das Gassengewirr im Nord teil der Stadt und kam schließlich viel zu weit östlich auf der High Street heraus. »Verdammt«, fluchte er leise, als er erkannte, dass er sich verlaufen hatte, machte kehrt und marschierte zurück, auf die Gasse zu, die, wie er meinte, zu Ramsays Bürogebäude führte. Doch als er an der Straßenecke einen Rotrock stehen sah, verlangsamte er abrupt sein Tempo, während er fieberhaft überlegte, was er nun tun sollte.
    Sinann versetzte ihm einen Rippenstoß und zischte ihm zu: »Geh weiter. Wenn er sieht, dass du ihm ausweichen willst, wird er dich anhalten und dir Fragen stellen, die du schwerlich wirst beantworten können.«
    Dylan zögerte nur kurz. Er sah ein, dass die Fee Recht hatte. Also schlenderte er so unbefangen weiter, als gehöre ihm die ganze Straße, setzte ein breites Lächeln auf und grüßte den Soldaten mit einem lässigen »Dia dhuit.«
    Ais der junge Mann mit dem runden Gesicht freundlich »Sibh fhein« erwiderte, zwinkerte Dylan überrascht, doch dann fiel ihm ein, dass sogar der eingebildete Major Bedford ein paar Brocken Gälisch beherrschte. Zumindest genug, um auf »Gott mit Euch< mit >Und mit Euch< zu antworten. Wirklich erstaunlich war nur der umgängliche Tonfall und die Tatsache, dass der Soldat ihm überhaupt eine Antwort gegeben hatte.
    Dylan ging weiter und bog in die nächste Straße ein, die in einer Sackgasse endete. Wütend über seine eigene Dummheit machte er erneut kehrt, lief den Weg zurück und fand endlich die Gasse, in der Ramsays Büro lag. An dem schmiedeeisernen Gitter, das den Hof umgab, blieb er stehen und beobachtete das Gebäude einen Moment. Hinter dem steinernen Torgang am anderen Ende des Hofes sah er eine rote Uniform aufblitzen, scheinbar lungerte dort ein weiterer Sas-sunach herum, von dem er aber nur einen Arm und die Schulter sehen konnte. Die Tür des Hauses öffnete sich, und Dylan duckte sich hastig hinter einen Rosenbusch. Ein englischer Offizier trat ins Freie, gefolgt von einem dritten Soldaten, seiner Eskorte vermutlich.
    Dylan gefror das Blut in den Adern, als er Major Bedford erkannte, der gerade das Kinnband seines Hutes befestigte. Der blonde Aristokrat schien es eilig zu haben, er marschier-te zügig die Gasse hoch. Seine kurze Uniformjacke bildete inmitten der tristen Gebäude einen leuchtend roten Farbfleck, und seine polierten Reitstiefel glänzten im schwachen Licht. Beim Gehen streifte er die dunklen Handschuhe über, die er sich unter den Arm geklemmt hatte.
    Dylan krallte die Finger so fest um die Eisenstäbe, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er konnte sich kaum noch beherrschen. Am liebsten wäre er dem hochnäsigen Engländer hier und jetzt an die Gurgel gesprungen. Er ließ das Gitter los, und

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