Die Verbannung
des Wirtshausschildes vom Hogshead Inn zu Stande brachte.
Sowie die Tinte getrocknet war, faltete er den Bogen auf Briefgröße zusammen, nahm die Kerze vom Regal, hielt die Siegelwachsstange in die Flamme und ließ einen großen Tropfen rotes Wachs auf den Brief fallen. Dann stellte er die Kerze an ihren Platz zurück und presste seinen Daumen in das flüssige Wachs. Es brannte höllisch, aber er konnte den Brief schlecht mit Ramsays Siegel versehen, da Seumas ihn dann wahrscheinlich gar nicht erst aufmachen oder zumindest nicht nach Edinburgh kommen würde. Er steckte seinen schmerzenden Daumen in den Mund und reichte den Brief Sinann, die ihn in den Ausschnitt ihres Gewands gleiten ließ.
»Such Seumas Glas«, flüsterte er ihr zu. »Sag ihm, er soll kommen und noch zwei Männer mitbringen.«
»Aber wo ...«
»Versuch es zuerst in Glen Dochart. Letzten Sommer hat er davon gesprochen, dass er ein Mädchen von dort heiraten möchte. Außerdem ist er ein MacGregor. Er könnte bei Rob geblieben sein oder sich der Truppe von Gregor Ghlun Dhubh angeschlossen haben. Und nun flieg los.«
Sinann schnippte mit den Fingern und war verschwunden.
Während der nächsten Woche folgte Dylan seinem Herrn wie ein treuer Hund überall hin. Viel Zeit verbrachte er in dem Kaffeehaus, wo Ramsay sich mit Geschäftspartnern traf, aber sein Arbeitgeber besuchte auch häufig ein bestimmtes Haus, in das er Dylan nicht mit hineinnahm. Es lag am Fuß des Felsens in einem kleinen Hof in der Nähe des Canongate Tolbooth, des Rathauses und Gefängnisses von Edinburgh.
Dylan wurde angewiesen, draußen in der Kälte zu warten, was ihm nicht sonderlich behagte. Er lief auf der Straße hin und her und versuchte, in Gedanken einen Grundriss des unteren Stockwerks des Hauses zu erstellen, indem er die Fenster genau betrachtete. Zumindest hatte er so eine Beschäftigung, und Wissen war Macht. Aber schon bald lang-weilte ihn das Spiel, und er begann sich nach einem anderen Zeitvertreib umzusehen.
Eine Straßenhändlerin in einem zerlumpten roten Kleid kam vorbei. Sie zog einen mit gebrauchter Kleidung beladenen Karren hinter sich her. Er winkte sie heran und kaufte ihr einen Mantel ab, der den ersetzen sollte, den er auf dem Schlachtfeld hatte zurücklassen müssen. Zwar hätte er es sich durchaus leisten können, sich einen neuen Mantel anfertigen zu lassen, aber dies war schon der dritte, den er innerhalb von zwei Jahren anschaffen musste, und er war es leid, dauernd so kostspielige Kleidungsstücke einzubüßen. Ein gebrauchter Mantel tat es auch, und dieser war von guter Qualität, kaum getragen, gut geschnitten und mit dickem Seidenstoff gefüttert, allerdings war er Dylan eine Spur zu groß. Doch die schwere Wolle schützte ihn vor der winterlichen Kälte, die sich durch sein Leinenhemd hindurchfraß, als wäre es gar nicht vorhanden. Zudem war der Mantel so kurz, dass er sein Plaid darüber tragen konnte. Eine zusätzliche Kleiderschicht war bei diesen Temperaturen immer willkommen.
Er nestelte an dem Plaid herum; überlegte, wie sich die lange Stoffbahn am besten über den Mantel drapieren ließe, und wünschte, er könnte sie mit der Brosche befestigen, in die sein Familienwappen eingraviert war und die in seinem sporran lag. Doch Sinann hatte sie mit einem Zauberbann belegt und in einen Talisman verwandelt, der ihn, wenn er ihn trug, für andere Menschen unsichtbar machte, solange er sich nicht von der Stelle rührte. Im Hinterkopf hörte er Sinann förmlich mit ihrer vorwurfsvollen Stimme schelten: Hättest du dich von mir schon früher in die Geheimnisse der Magie einweihen lassen, dann könntest du heute die Kräfte des Talismans beherrschen, ohne ihn ständig anstecken und wieder abnehmen zu müssen. Großartig, jetzt verfolgte ihn der kleine Quälgeist sogar noch, wenn er überhaupt nicht in der Nähe war.
Doch da diese Überlegungen zu nichts führten, wandte er sich seufzend noch einmal an die Händlerin. »Habt Ihr vielleicht auch eine Brosche zu verkaufen?«
Ein listiges Grinsen huschte über das Gesicht der Frau, als sie lockend erwiderte: »Für einen hübschen jungen Burschen wie Euch habe ich noch so manches andere im Angebot.« Dabei fuhr sie sich mit der Zunge über die vollen roten Lippen, die einen Mann, der seit eineinhalb Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte, durchaus in Versuchung führen konnten. Doch Dylan hütete sich, das Angebot anzunehmen. Er wusste, dass in diesem Jahrhundert sogar eine harmlose
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