Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
Flüchtig erwog sie, diese nachträglich anzufordern, entschied sich dann aber dagegen. Mr. MacDonell war so hilfsbereit gewesen, da wollte sie ihm nicht schon wieder Arbeit aufbürden.
    Doch während sie die Namenslisten durchging, schweiften ihre Gedanken erneut ab. Wie mochte Dylans Leben verlaufen sein? Hatte er Cait wiedergefunden? Wo lag er begraben? Wann war er begraben worden? Sie holte tief Atem, wandte sich den Totenregistern zu und begann mit dem Jahr 1715. Jetzt hoffte sie inständig, Dylans Namen nicht allzu bald entdecken zu müssen.
    Dylan war in der Liste nicht aufgeführt, aber was sie stattdessen las, brach ihr fast das Herz. Ciaran Robert Matheson war 1718 gestorben. Der arme Junge war das Opfer eines Ge-waltverbrechens geworden, als Todesursache wurde > Enthaupten angegeben. Cody schloss die Augen und wandte sich von Ray ab, weil ihr die Tränen in die Augen stiegen. Der Kleine war nur drei Jahre alt geworden. Armer Dylan!
    In dieser Nacht fand sie keinen Schlaf. Sie lag im Bett, starrte in die Dunkelheit und lauschte den leisen Schnarchtönen des neben ihr liegenden Ray. Jeder Muskel ihres Körpers schien zu schmerzen. Bilder von Dylan zogen an ihrem geistigen Auge vorbei: Dylan, der gegen englische Soldaten kämpfte; Dylan, wie er Schafe hütete; Dylan, der den blutüberströmten Leichnam seines Sohnes in den Armen hielt. Stöhnend richtete sie sich auf und setzte sich auf die Bettkante. Im Medizinschränkchen im Badezimmer lagen Schlaftabletten, aber sie wollte keine davon nehmen. Sie hasste es, sich morgens noch benommen zu fühlen.
    Stattdessen schlüpfte sie in ihren Morgenmantel und ihre Pantoffeln und ging ins Wohnzimmer hinüber, um sich wieder mit den Unterlagen zu beschäftigen, die Mr. MacDonell geschickt hatte. Sie setzte sich auf den Boden und blätterte die Seiten einzeln durch, ohne jedoch auf Dylans Namen zu stoßen. Wann war er gestorben? Hatte er seinen Sohn womöglich gar nicht überlebt? Die Aufzeichnungen umfassten fünfzig Jahre, von 1690 bis 1740, aber obwohl Ciorram selbst für damalige Verhältnisse ein kleines Städtchen gewesen war, schienen die Dokumente nicht vollständig zu sein. Die Schülerlisten gaben die Namen der Schüler an, jedoch nicht ihr Alter. Es gab auch Gefangenenlisten und Steuerbücher, die die örtlichen britischen Behörden geführt hatten, aber die waren auf Grund der vielen seltsamen Abkürzungen nahezu unverständlich. Die Geburtenlisten bezogen sich lediglich auf die Kinder, die kirchlich getauft worden waren, und sie hatte nur die Unterlagen der katholischen Kirche des Tales, von der auch die Totenlisten stammten, zur Verfügung. Aber selbst wenn diese Listen komplett waren, was sie bezweifelte, hieß das noch lange nicht, dass Dylan über das Jahr 1740 hinaus gelebt hatte. Er konnte ja auch irgendwo anders gestorben sein. Wenn diese Fee ihn auf das Schlachtfeld von Sheriffmuir zurückgeschickt hatte ...
    Energisch schüttelte sie den Kopf. Nein, er konnte unmöglich so kurz nach seiner Rückkehr gestorben sein. Das durfte nicht sein. Sie weigerte sich, überhaupt daran zu denken.
    Wieder fiel ihr Blick auf die Kopie der Totenliste mit Ciarans Namen darauf, und allmählich dämmerte ihr, dass hier irgendetwas nicht stimmen konnte. Wie war der Junge von Edinburgh nach Glen Ciorram gelangt? Hatte seine Mutter ihren Mann verlassen und war nach Hause zurückgekehrt? War Dylan mit ihr gegangen? Hatte er sie nach dem Aufstand wiedergefunden? Und wenn nicht, hatte sie dann ihren Mann verlassen, um zu Dylan zu gehen und mit ihm in Ciorram zu leben? Auch die Umstände von Ciarans Tod stimmten sie nachdenklich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Dylan tatenlos zugesehen hätte, wie sein Sohn getötet wurde. War er überhaupt dabei gewesen? Oder war er in der Schlacht von Sheriffmuir gefallen? Für ihn wäre das vielleicht sogar die gnädigste Lösung gewesen, denn dann hätte er seinen Sohn nicht überlebt. Cody konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als ein Kind zu ...
    Halt. Culloden? Ciaran Robert Matheson war bei Culloden dabei gewesen. Gut, es konnte sich um einen anderen Ciaran Robert Matheson handeln, aber was, wenn es derselbe war? Was, wenn sich beide Namen auf Dylans Sohn bezogen? Zwei gegensätzliche Eintragungen würden bedeuten, dass der Lauf der Geschichte verändert werden konnte. Ihr Herz begann wild zu hämmern, während sie die Seiten durchblätterte. Vielleicht gab es noch einen Sterbeeintrag, zu einem späteren

Weitere Kostenlose Bücher