Die Verbannung
das Blut von den Händen wusch. »Er ist tot. Und er liegt immer noch in Eurem Büro. Wollt Ihr, dass ich ...«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Ramsay öffnete. »Neil, hol mir Williams her. Er soll sich beeilen.« Nellie verschwand, ohne ein Wort zu sagen.
Dylan knöpfte sein Hemd auf, um die Wunde genauer zu untersuchen. Sie blutete kaum noch, aber die Ränder waren angeschwollen und schillerten bereits in allen Schattierungen von Rot und Lila. Sie würde ihm noch eine ganze Weile Schmerzen bereiten. »Der Junge hatte den Auftrag, bestimmte Briefe zu stehlen. Wir müssen uns für sein Verschwinden eine Erklärung einfallen lassen.« Er betupfte die Wunde mit einem feuchten Tuch, um sie zu säubern, wobei rosafarbene Wassertropfen auf sein Hemd fielen.
»Williams wird sich darum kümmern - ein Gerücht in die Welt setzen, dass er Geld gestohlen hat oder von einer Presspatrouille verhaftet worden ist. Irgendetwas in dieser Art...« Ramsay schloss die Tür, drehte sich wieder um, gab einen undefinierbaren Laut von sich, als er die Wunde sah, und starrte das heraussickernde Blut wie gebannt an. Dylan spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. »Ich werde Cait zu Euch schicken, sie kann die Wunde nähen.«
»Bevor der Junge starb ...«, Dylan erhob die Stimme, um Ramsays Aufmerksamkeit wieder auf die augenblicklich anstehende Angelegenheit zu lenken. Als er sicher war, dass sein Arbeitgeber ihm zuhörte, fuhr er etwas leiser fort: »Ehe er starb, verriet er mir, dass er angeheuert wurde, um Briefe zu finden, die Euch als jakobitischen Spion entlarven. Und zwar von Bedford. Der Major hat Verdacht gegen Euch geschöpft.«
Ramsay schwieg eine Weile, dann schüttelte er den Kopf, als könne er nicht glauben, was er soeben gehört hatte. »Wie viel weiß er?«
»Bedford? Ich bin mir nicht sicher. Der Junge erzählte mir, was in den Briefen stand, aber er konnte sie natürlich nicht mehr aus dem Büro schaffen. Trotzdem habt Ihr Bedfords Misstrauen geweckt. Ob er nach etwas ganz Bestimmtem sucht oder nur allgemein herumschnüffelt, kann ich nicht sagen.«
»Er weiß bereits genug über mich, um mich verhaften zu lassen, wenn er das wollte.«
»Aber kann er Euch irgendeine Sache anhängen, mit der er selbst nichts zu tun hat?«
Ramsay runzelte die Stirn. »Könnt Ihr Euch bitte genauer ausdrücken?«
»Hat er Beweise dafür, dass Ihr ein Verbrechen begangen habt, an dem er selbst nicht beteiligt ist?«
»Nein.« Ramsay schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Also hat er den Jungen vielleicht nur auf gut Glück in Euer Büro geschickt, in der Hoffnung, sein kleiner Schnüffler würde schon auf irgendetwas Brauchbares stoßen?«
»Hoffentlich.« Ramsay holte tief Atem, seine Augen wurden schmal. »Wenn der Junge keinen der Briefe an sich genommen hat, wie kommt es dann, dass der, den Ihr holen solltet, verschwunden ist?«
»Einer Eurer Angestellten muss ihn haben. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
»Könnt Ihr zufällig ebenso gut lesen wie zuhören?«
Dylan blickte Ramsay fest in die Augen. »Wollt Ihr damit andeuten, ich könne so tief sinken, meinen Arbeitgeber zu hintergehen? Falls das der Fall ist, lasst mich Euch versichern, dass ich jeglichen Zweifel an meiner Integrität als schwere Kränkung auffassen müsste - genau wie meine Hochlandvettern, die eine solche Beleidigung mit dem Schwert beantworten würden. Was ich gelesen habe, ist hier nicht von Bedeutung, denn ich habe den bewussten Brief nicht gestohlen. Es muss einer Eurer Angestellten gewesen sein.«
Er dämpfte seine Stimme zu einem bedrohlichen Flüstern. »Vielleicht solltet Ihr auch einmal darüber nachdenken, wer den Überfall auf den Wagen mit den Sherryfässern arrangiert hat. Wer wusste denn, dass Bedford dort sein würde, und wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, dass dem Major kein Haar gekrümmt wurde? Dreißig Guineen sind ein Haufen Geld, es muss also jemand gewesen sein, dem viel daran gelegen war, Euer gutes Verhältnis zu Bedford nicht zu trüben.«
Ramsay dachte eine Weile angestrengt nach. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn. Endlich sagte er: »Nun ja, wenigstens empfinde ich es als beruhigend, einen Mann mit Sinn für Loyalität in meine Dienste genommen zu haben; jemanden, der mich nicht sofort den Behörden ausliefert, um seine eigene Haut zu retten.«
»Ich habe nur meine Pflicht getan«, erwiderte Dylan steif. »Nicht mehr und nicht weniger.«
»Natürlich«, entgegnete Ramsay, dem
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