Die Verbannung
die Spitze nicht entgangen war, mit leisem Spott. Dann warf er erneut einen unsicheren Blick auf Dylans blutiges Hemd. »Sorgt dafür, dass meine Angestellten keine Gelegenheit mehr bekommen, etwas aus meinem Büro zu entwenden.«
»Eure Angestellten - und Felix.«
»Unsinn ...«
»O doch, gerade Felix.«
Wieder herrschte einen Moment Stille, dann wandte sich Ramsay ab. »Also kümmert Euch darum.« Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Sinann, die wie üblich auf dem Kopfbrett hockte, kicherte. »Wäre es nicht der Gipfel der Ironie, wenn du deine Begnadigung erwirken würdest, indem du Ramsay an Bedford auslieferst?«
Dylan setzte sich auf die Bettkante, zog sein Hemd unter dem Kilt hervor und streifte es über den Kopf, um sich damit abzutrocknen. »Das habe ich bislang nicht getan, und ich werde es auch jetzt nicht tun. Wenn ich Ramsay ans Messer liefere, ziehe ich auch Caits Vater in die Sache mit hinein. Man würde Iain Mórs Ländereien konfiszieren, was das Ende des ganzen Clans bedeuten könnte. Und das Ende von Cait. Nein, das ist keine Lösung.« Er betete die Worte wie eine Litanei herunter, so oft hatte er sie so oder ähnlich schon ausgesprochen.
»Bedford hat doch bereits Verdacht geschöpft. Was, wenn Ramsay trotzdem überführt und festgenommen wird?«
»Dann sind wir erledigt.«
Es dauerte so lange, bis Cait mit Nadel und Faden kam, dass Dylan versucht war, nach ihr Ausschau zu halten. Doch als er die Tür öffnete, hörte er im großen Saal gedämpfte Stimmen. Anscheinend wies Ramsay den Mann namens Williams gerade an, was mit dem toten Jungen im Büro geschehen sollte - die Leiche sollte mit Ketten beschwert und dann im Hafenbecken versenkt werden. Williams versicherte, er werde sich darum kümmern, und verließ den Saal. Dylan setzte sich wieder auf sein Bett und wartete weiter auf Cait.
Ein paar Minuten später erschien sie endlich an seiner Tür. Sie hielt ein Tablett in den Händen, auf dem ein dampfender Kupfertopf und eine mit einem Handtuch bedeckte Schüssel standen. Mit dem Kinn deutete sie auf den Schemel vor dem Kamin. »Ich kann mich nicht zu dir auf das Bett setzen.«
Dylan nahm auf dem Schemel Platz, und sie kniete sich neben ihm auf den Boden. Die Tür zum Korridor hatte sie offen gelassen, damit ihr niemand aus dem Haus unziemliches Betragen unterstellen könnte. Als sie vorsichtig das Wasser aus dem Topf in die Schüssel goss und eine glühend heiße Nadel an dem daran befestigten Faden herausfischte, musste Dylan lächeln. Es rührte ihn, dass ihr in Erinnerung geblieben war, wie er sie einst gebeten hatte, seine Wunde erst zu versorgen, nachdem sie Nadel und Faden ausgekocht hatte. Sie legte ihm sanft, fast zärtlich eine Hand gegen die Brust und drückte ihn gegen den Fuß des Bettes, um seine Bauchhaut zu straffen. »Nur ein paar kleine Stiche, mehr nicht ...« Sie führte die Nadel durch seine Haut, und er stöhnte leise.
»Wer war das?« Ihre Stimme klang seltsam unbeteiligt, weil sie sich ganz darauf konzentrierte, die Wundränder mit kleinen, sorgfältigen Stichen zusammenzunähen.
»Ein Straßenjunge, den die Rotröcke angeheuert haben, um Ramsays Büro zu durchsuchen. Der Bursche sollte Beweise dafür suchen, dass dein Mann Informationen an die Jakobiten weiterleitet.«
Das schien sie zu überraschen. Stirnrunzelnd blickte sie von ihrer Tätigkeit auf. »Gibt es denn solche Beweise?«
Dylan kicherte. »Tonnenweise, vermute ich.«
»Connor ist ein Spion?«
»Wusstest du das nicht?«
Cait schüttelte den Kopf. »Wenn die Krone ihn der Spionage verdächtigt, wieso schickt man dann nicht eine Abteilung Soldaten, um sein Büro zu durchsuchen?«
Dylan zuckte die Schultern. »Bedford wollte wohl vermeiden, dass sie etwas entdecken, was ihn selbst belastet.«
»Aber er wollte Beweise für Connors Spionagetätigkeit finden?« Dylan nickte. »Wozu? Um sie an seine Vorgesetzten weiterzugeben?«
Wieder nickte Dylan. »Oder um Ramsay zu erpressen.«
Cait verstummte und widmete sich wieder seiner Wunde. Dylan stieß vor Schmerz zischend den Atem aus, als die Nadel zum dritten und letzten Mal durch seine Haut fuhr. Cait sagte nichts mehr, sondern verknotete den Faden und beugte sich vor, um ihn durchzubeißen. Dylan legte ihr eine Hand gegen die Wange, und sie drückte einen Moment lang ihr Gesicht gegen seinen Bauch. Doch dann erhob sie sich rasch, griff nach ihrem Tablett, bückte sich nach einem verstohlenen Blick zur offenen Tür zu ihm hinunter und küsste
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