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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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Häuser im Dorf stehen, so viel hübsche Berührungen finden statt. Das gibt es hier auch. Fragen Sie nur Catalano danach.« »Gefallen Ihnen denn die Frauen hier?« fragte Pierino und schickte sich an, auf den Felsen zu steigen. Stefano verzog den Mund. »Man sieht so wenige …« »Sie sehen wie die Ziegen aus«, sagte Pierino und sprang ins Wasser.
    Als sie sich am Ufer wieder anzogen, sagte Stefano lachend: »Es gibt eine, die ziegenähnlichste von allen, die wohnt in dem grauen Haus außerhalb des Dorfes, hinter der Brücke. Kennen Sie es?«
    »Das Haus der Familie Spanò?« fragte Pierino und
hielt inne.
»Das mit den Geranien am Fenster.«
    »Ja, das ist es. Aber, entschuldigen Sie, ich verstehe Ihren Vergleich nicht. Das ist doch eine feinblütige Frau mit regelmäßigem Gesicht. Woher kennen Sie die denn?«
    »Ich habe sie den Krug zum Brunnen tragen sehen.« Pierino begann zu lachen. »Da haben sie die Magd gesehen.«
    »In der Tat …«
    »Wieso, in der Tat? Wir sprechen von Carmela Spanò,
und ich will Ihnen auch sagen, daß sie die Verlobte
von Giannino Catalano ist.«
»Concia …?«
    Als sie vor dem Wirtshaus ankamen, war alles klar, und Stefano wußte jetzt, warum sein albernes Gerede im Wirtshaus am Morgen nach der Kirchweih so viel Gelächter und sarkastische Bemerkungen hervorgerufen hatte. Alle hatten bei seinen derben Worten über die Magd an die unbekannte Herrin gedacht; und daß es um Giannino ging, machte die Angelegenheit noch pikanter.
    »Diese Concia habe ich ein einziges Mal gesehen«, sagte Pierino, »und sie ist mir nicht so abstoßend vorgekommen wie Ihnen. Ich würde eher sagen, daß sie wie eine Zigeunerin aussieht.«
    In diesem Augenblick trat Gaetano unter die Tür und hatte offenbar verstanden, denn er bekam ganz blanke Äugelchen. Stefano ging, als sei nichts geschehen, ins Haus zurück.
    Als er gerade stehend die Zeitung las, die unordentlich aufgeblättert auf dem Tisch lag, kam die alte Wirtin, um ihm zu sagen, der Wachtmeister sei kurz zuvor vorbeigekommen und habe nach ihm gefragt. »Weswegen?« »Es war anscheinend nicht eilig.«
    Stefano lächelte, aber die Knie zitterten ihm. Eine Hand packte ihn bei der Schulter. »Mut, Herr Ingenieur, Sie sind doch unschuldig.« Das war Gaetano, er lachte.
    »Schließlich und endlich, ist er nun gekommen, ja oder nein?«
    Zwei andere aus der Gesellschaf, die sich bisher in einer Ecke einen Kaffee gemacht hatten, hoben den Kopf. Einer sagte: »Geben Sie acht, Herr Ingenieur. Der Wachtmeister hat elektrische Handschellen.« »Hat er nichts hinterlassen?« fragte Stefano ernst. Die Wirtin schüttelte den Kopf.
    Das Kartenspiel an diesem Morgen brachte Stefano zur Verzweiflung. Er saß auf Kohlen, wagte aber nicht aufzuhören. Als Giannino kam, nickte er ihm zu und hatte dabei das Gefühl, ihn unfreundlich anzuschauen; die Schuld daran gab er der Verärgerung darüber, daß man ihm diese Verlobung verheimlicht hatte. Aber er wußte, daß es sich im Grunde um das Unbehagen über ein anderes Geheimnis handelte, über dieses Blatt Papier, das der Wachtmeister vielleicht schon in Händen hielt und das ihn unerbittlich ins Gefängnis zurückbringen würde. Dieser beklemmende Gedanke begann ihn zugleich mit dem Gedanken an Concia in seinem Innern zu peinigen: wenn Giannino wirklich keine Augen für sie hatte, gab es keine Entschuldigungen mehr für Stefano, er mußte es versuchen. Dumpf hofe er, es sei nicht wahr; er sagte sich, Giannino habe sie verführt, sie wenigstens bei seinen Besuchen der anderen unter einer Treppe umarmt. Denn wenn sie wirklich keiner je begehrt hatte, waren seine bisherigen Phantasien Kindereien, und sie alle hatten recht mit ihren sarkastischen Bemerkungen. Giannino beugte sich über Gaetanos Karten und sagte etwas zu ihm. Stefano warf seine Karten hin und sagte energisch: »Wollen Sie meinen Platz übernehmen, Catalano? Ich fürchte, es wird regnen, und bei mir zu Hause steht alles offen.« Er ging, und aller Blicke folgten ihm.
    Er trat hinaus in den staubigen Wind, die Straße war menschenleer. In einem Augenblick war er vor der Kaserne, so sehr rasten die Gedanken in seinem Herzen. Unter dem blinden Fenster einer Zelle stand eine alte Frau mit einem Tiegel, als habe sie soeben ein Gespräch abgebrochen. Ihre bloßen Füße waren knorrig. Von einem Balkon im ersten Stock beugte sich ein Carabiniere herab und rief etwas. Stefano hob seine Hand, und der Carabiniere sagte ihm, er solle warten. In Hemdsärmeln,

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