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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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Sollte Elena eines Tages ein Wort, eine Geste wirklichen Besitzergreifens wagen, würde Stefano sie energisch zurückweisen. Und selbst die Lust, die jeden Morgen von neuem in ihnen aufbrach und die Elena, so sehr sie sie als etwas Selbstverständliches genoß, doch offenbar für unwichtig hielt, ging ihm auf die Nerven und fesselte ihn nur allzu fest an sein Gefängnis. Man mußte auch sie isolieren und aller Hingabe entleeren.
    Das Schränkchen war hübsch und hatte etwas Häusliches an sich; Stefano streichelte mit der Hand darüber, um seine Schuld bei Elena abzutragen, und währenddessen überlegte er, was er ihr sagen sollte.

    Schon zuvor hatte Stefano ihr bei einem morgendlichen Beisammensein gesagt: »Du weißt, daß ich eines Tages fortgehen werde. Du tätest gut daran, dein Herz nicht allzu sehr an mich zu hängen.«
    »Ich verstehe mich selbst nicht, verstehe nicht, warum ich das tue«, hatte Elena sich gewehrt; dann hatte sie sich wieder gefaßt und ihn forschend angesehen: »Du wärest froh darüber.« Wenn Elenas Stimme kummervoller wurde, klang sie zugleich kreischend und dumpf, wurde ländlich und häuslich wie ihr Tuchkleid, das über dem Stuhl hing. Sie hatte einen Flaum auf der Oberlippe und das Haar achtlos zurückgekämmt wie eine Hausfrau, die sich beim Morgengrauen im Hemd in der Küche zu tun macht.
    Aber Stefano war nicht zufriedenzustellen. Mehr als der schrille Klang ihrer Stimme ärgerte ihn das sinnliche, glückliche Lächeln, das für einen Augenblick über ihre Lippen und Lider huschte, die sie tief in das Kissen drückte.
    »Schau mich nicht so an«, konnte Elena dann stammeln.
    »Man muß sich anschauen, um sich kennen zu lernen.« Morgendliches Dämmerlicht sickerte durch die Läden.
    »Man braucht sich nur lieb zu haben«, sagte Elena in das Schweigen hinein, »und ich achte dich, als wärest du mein eigen Fleisch und Blut. Du weißt so viel mehr als ich – ich kann keine Ansprüche stellen – aber ich möchte dein Mütterchen sein. Bleib so, nein, sag nichts, sei lieb. Du kannst so liebevoll sein, wenn du nur willst.«
    Stefano lag mit geschlossenen Augen da und legte diese langsam gesprochenen Worte Concia in den Mund, strich flüchtig über Elenas Arm und dachte dabei an Concias dunklen Arm.
    Das war geschehen, als es draußen noch Sommer war. Aber am Abend des Tages mit dem Schrank hatte es zu regnen begonnen, als Stefano im Wirtshaus auf Giannino wartete. Gaetano hatte über seine Zigarette hinweg gesagt: »Haben Sie auch nichts offen gelassen, Herr Ingenieur?« Dann hatten sie sich unter die Tür gestellt, hatten dem Regen zugeschaut und Giannino war mit überperltem Bart gekommen. Die ganze Straße wurde dunkel und schmutzig; Rinnsale wuschen die Kiesel blank, die Feuchtigkeit drang einem bis in die Knochen. Der Sommer war vorbei. »Hier ist's kalt«, sagte Stefano. »Wird es diesen Winter schneien?« »Auf den Bergen schon«, sagte Giannino.
    »Wir sind hier nicht in Oberitalien«, sagte Gaetano. »Selbst an Weihnachten können Sie die Fenster aufmachen.«
    »Aber ihr benützt doch Kohlenbecken. Was ist das eigentlich?«
    »Die Frauen benützen sie«, sagten Giannino und Gaetano. Giannino fuhr fort: »Da sind Kupferkessel voller Asche und Glut, die man hin und herschwenkt und dann im Zimmer stehen läßt. Dann stellen sie sich darüber und haben es warm. Das vertreibt die Feuchtigkeit«, sagte er lachend.
    »Aber ein Verbannter wie Sie braucht kein Kohlenbecken«, begann Gaetano wieder. »Gehen Sie immer noch baden?«
    »Wenn es so weiterregnet, werde ich damit aufören müssen.«
    »Aber hier scheint die Sonne auch im Winter. Bei uns ist es wie an der Riviera.«
    Jetzt sprach wieder Giannino. »Man muß sich nur ein bißchen Bewegung machen, dann spüren Sie den Winter überhaupt nicht. Schade, daß Sie kein Jäger sind. Ein Spaziergang am Morgen macht den ganzen Tag warm.«
    »Aber der Abend bringt mich um«, sagte Stefano. »Der Abend, wenn ich zu Hause sitze und nichts zu tun habe. Im Winter muß ich um sieben zu Hause sein. Ich kann doch um diese Zeit noch nicht zu Bett gehen.«
    Da sagte Gaetano: »Das würden Sie schon tun, wenn Sie das Kohlenbecken nähmen, das wir Männer benutzen. Die Winterabende sind dafür wie geschaffen.« Im letzten Abendschein traten sie, Stefano und Giannino, auf die Straße hinaus. »Das Dorf schrumpf zusammen, wenn es regnet«, sagte Stefano. »Man hat keine Lust mehr, aus dem Haus zu gehen.« Die Hausmauern waren schmutzig und

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