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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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hinüber.
    »Ist es, alles in allem, etwas Ernstes?« stammelte Stefano.
    »Sehen Sie«, antwortete Gaetano, »sie scheinen ihrer Sache sicher zu sein und bestehen auf einem Prozeß. Wenn das Mädchen nicht schwanger ist, so bedeutet das, daß sie, solange es noch Zeit ist, aufs Heiraten aus sind. Sonst hätten sie gewartet, bis Catalano unter Dach und Fach ist, um das Kind vorzuzeigen und dadurch noch mehr herauszuschlagen.«
    Als sie in die Nähe der Wirtschaf kamen, fühlte Stefano sich merkwürdig erleichtert, war von einer verstörten, zerfahrenen Munterkeit. Er sah die gewohnten Gesichter und, zu unruhig, um sich zu setzen, und begierig auf das Gerede über Giannino schaute er den Spielern zu. Aber es wurde nicht über ihn gesprochen, sondern wie üblich gescherzt. Nur er empfand eine Leere, eine sinnlose Pein, und er verglich diese Leute mit der fernen Welt, aus der er eines Tages verschwunden war. Ja, das war das Wesen der Zelle: das Schweigen der Welt.
    Aber vielleicht lachte Giannino in seiner schmutzigen Zelle mit den blinden Fenstern. Vielleicht schlief er als Freund des Wachtmeisters in einem Zimmer mit Balkon und ging im Garten spazieren. Autoritär wie immer verfolgte Gaetano das Spiel, hin und wieder begegnete Stefanos Blicken sein beruhigendes Lächeln. Schließlich wurde Stefano sich darüber klar, wie einer sich darüber klar wird, daß er Fieber hat, daß er sich für gefährdet hielt. Er hatte Elena enttäuscht, sie brutal abgewiesen. Aber er sagte sich und dachte es zum x-ten Mal, daß Elena kein Kind mehr war, daß sie verheiratet und in einer heikleren Lage war als er, daß sie in ihrer Angst vor einem Skandal aufrichtig gewesen war, und schließlich, daß sie arglos und gut war. Aus freien Stücken hatte sie ihn verlassen. Und schwanger war sie nicht.
    In diese Gedanken versunken, hatte er anscheinend vor sich hingestarrt, denn plötzlich sagte einer der Anwesenden, ein Autoschlosser, der mit Gaetano verwandt war:
    »Der Ingenieur denkt heute früh an seine Heimat. Kopf hoch, Herr Ingenieur.«
    »Auch ich denke daran«, fuhr Gaetano dazwischen, »mein Wort darauf, daß es letztes Jahr in Fossano schön gewesen ist. Sind Sie je in Fossano gewesen, Herr Ingenieur? Wenn ich daran denke, daß ich im Winter mit dem ersten Schnee dort eintraf und beinahe geweint hätte …«
    »Du kamst wohl vor Heimweh um?« fragte jemand. »Gleich war ein Hauptmann da, der mich aus dem Regiment herausholte, und noch heute schreiben wir uns.« »Dieser Hauptmann hat deinen Vater viel Zucker gekostet …«
    Stefano sagte: »In Fossano sagen sich die Füchse und Hasen gute Nacht. Bilden Sie sich etwa ein, Fossano sei eine Stadt?«
    Dann tauchten Vincenzo und Pierino zusammen auf, deren Mienen ihm düster vorkamen. Aber Vincenzos Augen hatten immer diesen nackten Blick unter der kahlen Stirn. Pierino sagte in seiner engen Uniform leichthin: »Beppe, Sie übernehmen die Fahrt.« »Fährt er nicht mit dem Zug?« fragte der Autoschlosser.
    »Der Wachtmeister hat mir gesagt: ›Wenn er mit dem Zug fährt, muß ich ihm Handschellen anlegen.‹ Hören Sie zu: wenn der alte Catalano seinem Sohn, zwei Polizisten und vielleicht gar sich selbst die Fahrt bezahlen will, schicke ich sie im Auto los, und niemand sieht sie.« »Wann?« fragte der Autoschlosser.
    »Wenn das Gericht ihn vorlädt«, fiel Gaetano ein. »Sagen wir, in einem Monat. So wie es bei Bruno Fava war.«
    »Augenblick mal«, sagte Vincenzo. »Noch hat das Gericht nichts damit zu tun. Die Polizeibehörde wird Anzeige erstatten …«
    Stefano schaute Pierinos gelbe Kragenspiegel an. Pierino nickte ihm zu: »Sie wundern sich, Herr Ingenieur? Hier ist jeder ein Advokat. Jeder hat einen Verwandten im Gefängnis.« »Warum, ist das bei dir zu Hause nicht so?« »Nein.«
    Stefano betrachtete diese hie und da spöttischen Gesichter, in denen sich nichts regte, die zumeist aufmerksam und einfältig dreinschauten. Sein Gesicht sehe genauso aus, dachte er, als er gelassen sagte: »Aber sollte Catalano nicht heiraten?« seine Stimme verhallte in einem dumpfen und fast feindseligen Schweigen.
    »Was hat denn das damit zu tun?« fragte Gaetano, und die Augen der Umstehenden schienen das gleiche zu fragen. »Man kann schließlich seine Braut nicht entehren.«
    Pierino, der sich an den Schanktisch lehnte, schaute zu Boden. »Herr Ingenieur, halten Sie bloß Ihren Mund«, sagte er plötzlich nachdrücklich, ohne die Augen zu heben.
    Vincenzo, der sich gesetzt hatte, sammelte

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