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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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geschlossenen Lidern; Elena erwachte nicht, denn sie schlief nicht. Beim Rauchen kam es Stefano so vor, als starrten die halbgeschlossenen Augen ihn wie zum Scherz an. »Heute abend hat Catalano deinen Schrank gesehen.« Elena rührte sich nicht.
    »Wir haben dich kommen sehen, wir waren hier im
Dunklen.«
Elena packte seinen Arm.
    »Warum hast du das getan?« »Um dich nicht zu kompromittieren.«
    Jetzt war sie ganz wach. Sie zerrte an dem Leintuch,
    krümmte sich zusammen, setzte sich neben ihn. Stefano machte seinen Arm frei.
    »Ich dachte, du schliefest.« »Warum hast du das getan?«
    »Ich habe nichts getan. Ich habe ihm den Schrank gezeigt …«
    Dann sagte er hart: »Der Teufel lehrt einen, Nagel ohne Köpfe zu machen. Ich mag keine Heuchelei. Mir ist es recht, daß er dich gesehen hat. Ich weiß nicht, ob er verstanden hat, aber Geheimnisse enden immer so.« Er stellte sich ihre vor Schrecken weitaufgerissenen Augen vor und suchte mit seiner Hand ihre Wange. Statt dessen wurde er wie rasend gepackt und geküßt. Sie streichelte seinen ganzen Körper, sie küßte ihn auf die Augen, auf die Zähne, die Zigarette entglitt ihm. Es war etwas Kindliches in Elenas Orgasmus. Die Zigarette war zu Boden gefallen. Schließlich sprang Stefano vom Bett auf und zog Elena mit sich. Stehend versuchte er, ihr einen ruhigeren Kuß zu geben, und Elena schmiegte sich mit ihrem ganzen kühlen Körper an ihn. Dann machte sie sich los und begann, sich anzuziehen.
    »Mach kein Licht«, sagte sie. »Du sollst mich so nicht sehen.« Während Elena sich keuchend die Strümpfe anzog, saß Stefano schweigend auf dem Bett. Er fror, aber es hatte keinen Zweck, sich anzuziehen. »Warum hast du das getan?« stammelte Elena nochmals. »Wie …«
    »Ich weiß, du willst dich mir nicht verpflichtet fühlen«, unterbrach ihn Elena stehend, ihre Stimme war unter ihrer Bluse erstickt. »Du willst nichts von mir. Nicht einmal dein Mütterchen darf ich sein. Ich verstehe dich. Man kann nicht lieben, wenn man nicht liebt.« Ihre Stimme wurde jetzt wieder frei, klang heller und fester. »Mach das Licht an.«
    Nackt und verlegen schaute Stefano sie an. Sie war ein bißchen rot und erhitzt und schloß den Bund ihres Rockes so achtlos, wie man eine Küchenschürze umbindet. Als sie damit fertig war, hob sie ihre finsteren und doch fast lächelnden Augen. Stefano stammelte: »Gehst du fort?«
    Elena kam auf ihn zu. Ihre Augen waren dick verschwollen, so war sie nun einmal.
    Stefano sagte: »Du läufst davon, aber dann fängst du an zu weinen.«
    Elena verbiß eine Grimasse und schaute ihn schief an: »Du weinst bestimmt nicht, du Armer.« Stefano schlang den Arm um sie, aber Elena machte sich los. »Geh ins Bett.«
    Vom Bett aus sagte er ihr: »Ich komme mir vor wie als Kind …«
    Aber Elena beugte sich nicht zu ihm herab und zog seine Decken nicht zurecht. Sie sagte nur: »Ich komme zum Kehren wie bisher. Wenn du etwas brauchst, laß mich rufen. Den Schrank lasse ich fortbringen …« »Dummchen«, sagte Stefano.
    Elena lächelte kaum, löschte das Licht und ging fort.

    In den letzten Augenblicken, als das Licht brannte, hatte Elena eine harte, aufgebrachte Stimme, wie ein Mensch, der sich verteidigt. Er hätte sich gewünscht, sie schluchzen zu hören, aber welche fertig angezogene Frau würde vor einem nackten Mann weinen? Der Augenblick war verpaßt, im Dunkeln war dieser nackte Körper so rasch wieder angezogen, daß in Stefano der Wunsch zurückblieb, ihn noch einmal zu streicheln, ihn noch einmal zu sehen, ihn nicht verloren zu haben. Stefano fragte sich, ob Elena ihn so rasend geküßt und, als sie neben dem Bett standen, umarmt hatte, um sich zu rächen, um eine Begierde in ihm zu wecken, die nie mehr gestillt werden sollte. Dann allerdings – und Stefano lächelte – hatte Elena nicht mit seinem Durst nach Einsamkeit gerechnet. Er hörte zu lächeln auf, es war ja dunkel, und ballte die Fäuste. In seinem halbwachen Zustand ging Stefano ganz anderes durch den Sinn, aber er wurde sich nicht darüber klar, was. Er wälzte sich in seinem zerwühlten Bett hin und her und fürchtete, seine Schlaflosigkeit könne andauern. Das war ein Alptraum, der wahrer war als die früheren. Er drückte seine Wange geduldig in die Kissen und sah, wie das Fenster fahl wurde. Gerührt murmelte er: »Du tust mir leid, Mütterchen«, und er kam sich sehr gut vor und war glücklich darüber, daß er allein war.
    Dann begriff er diesen Gedanken: man hält es

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