Die Verbindung: Thriller (German Edition)
Garderobe, auf der rechten Seite ein ebenfalls leeres Badezimmer. Vor ihm lag das richtige Zimmer. Es war nur von dem Licht einer Bodenlampe in der gegenüberliegenden Ecke erleuchtet, und Carlyle konnte einen bestrumpften Fuß sehen. Es war kein Schnarchen zu hören, und es gab auch keine Geräusche, die auf irgendwelche sexuellen Aktivitäten schließen ließen.
Er schloss die Tür hinter sich und machte zwei Schritte in das eigentliche Zimmer, um bestätigt zu bekommen, was er bereits wusste.
Die Nachricht war kein Scherz gewesen.
Acht
Universität Cambridge, Juni 1984
Das Leben ist kurz, aber der Tag ist lang.
Es gab Zeichen. Überall gab es Zeichen. Es war der hundertneunundsechzigste Tag des Jahres. Es waren auf den Tag genau einhundertneunundsechzig Jahre seit dem Triumph der Engländer bei Waterloo. Es war eine Zeit für die Geschichte. Eine Zeit für das Schicksal. Und vor allem eine Zeit für den Schmerz.
Im Hier und Jetzt war es das Ende des Sommertrimesters, das Ende des akademischen Jahrs und das Ende des Lebens an der Universität. Die große weite Welt wartete dort draußen auf sie, bereit, sie mit Geld, Statussymbolen und Macht zu überschütten. Natürlich würden sie dafür sorgen, dass die Welt wartete, bis sie voll und ganz bereit waren. Das war ihr gutes Recht. Man hatte ihnen von Geburt an beigebracht, dass die Welt auf Gentlemen wartet, nicht andersherum.
Freiheit wurde gegen Macht eingetauscht. All das hier würde vermisst werden.
Die Feierlichkeiten hatten jetzt mehr als dreißig Stunden gedauert, eine endlose Kneipentour und Partys, bei denen sie immer wieder denselben Leuten begegnet waren. Jetzt, nachdem sie den toten Punkt überwunden hatten, waren sie für das unausgesprochene, lange herbeigesehnte Finale in seine Räume zurückgekehrt.
Der Klub tagte.
Es hatte angefangen zu regnen. Ein heftiger sommerlicher Wolkenbruch am Ende eines knallheißen Tages wurde von fernem Donnergrollen begleitet. Das Wetter trug nur noch zu der Fin-de-Siècle-Stimmung des Ganzen bei. Sie spülten die Vergangenheit fort und bereiteten den Boden für die Zukunft vor. Traurig, erschöpft, aber erwartungsvoll.
Der vor ihm ausgebreitete Anblick hätte aus einer von Tinto Brass inszenierten Hardcore-Version von Tom Brown’s Schooldays stammen können – weniger Flashman, mehr Fleischmann. Der Caligula des italienischen Pornokönigs nahm einen Ehrenplatz in seiner einschlägigen Sammlung in einer Ecke des Zimmers ein: ein fast anderthalb Meter hoher Stapel erstklassiger VHS -Kassetten, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hatten. Auf dem Fernseher neben ihnen lief Salon Kitty stumm zu dem Sound von »She Works Hard For The Money« von Donna Summer, der aus den Lautsprechern seiner unglaublich teuren Stereoanlage von Bang & Olufsen drang.
Alle Augen waren auf einen Raum von etwa zwei Meter vierzig mal ein Meter zwanzig gerichtet, der in der Mitte des Zimmers freigeräumt worden war, und auf den Körper, der dort auf dem Bauch lag. Die Luft war angefüllt mit den widerstreitenden Gerüchen von Schweiß, Exkrementen, Sperma und Cannabis. Obwohl sie alle Fenster geöffnet hatten, war der blaue Rauch, der sich in Kopfhöhe angesammelt hatte, immer noch so dicht, dass man den Druck von Hockneys Mulholland Drive auf der gegenüberliegenden Wand nicht sehen konnte. Jemand war durch einen gläsernen Couchtisch gekracht, dessen Überreste man in eine Ecke geschoben hatte. Leere Champagner- und Wodkaflaschen lagen über den Boden verstreut. Eine zur Hälfte gegessene Pizza lugte unter dem Sofa hervor.
Ihr Opfer hatten sie sich in drei Jahren intensiver Pflege herangezogen. Das Organisieren, die Lobbyarbeit, das Einölen – all das hatte zu dieser Nacht geführt. Jetzt würde er in drei Stunden und drei Minuten zerstört werden. Ihr hübscher Junge Ikarus, der im Fliegen der Sonne zu nahe gekommen war. Jetzt musste er auf die Erde fallen, um seinen Platz unter den Bauern zurückzuerobern. Um zu begreifen, dass er zu hoch geflogen war.
Der Tag ist kurz, aber das Leben ist lang.
Ein kleines Anfeuerungsgrölen brandete auf, als er vortrat, mit dem Gefühl eines Gladiators, der in die Arena einzieht, siegesgewiss, allseitigen Respekts versichert. Da die Präliminarien erledigt waren, schob er die Beine des hingestreckten Ikarus auseinander, beugte sich vor und manövrierte sich vorsichtig hinein. Er begann zunächst sanft, ein bisschen zögernd, um dann mit mehr Zuversicht und etwas Überheblichkeit
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