Die Verbindung: Thriller (German Edition)
schon, hinter den Gebäuden auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs zu verschwinden. Er blinzelte und hielt die Hand hoch, um seine Augen von dem blendenden Licht der Sonne abzuschirmen. Die steinerne Brüstung vor ihm war ungefähr ein Meter zwanzig hoch und vielleicht fünfundzwanzig Zentimeter breit. Gähnend zog er sich hoch, stellte sich schwankend darauf und überschaute sein Reich. Zwölf Meter unter ihm gingen die Leute ihren Geschäften nach, Kommilitonen auf dem Weg von oder zu Vorlesungen. In der Mitte des Hofs stand eine große Eiche. Neben dem Baum saß ein unglaublich hübsches Mädchen im Gras und genoss die Beachtung, die ihr von zwei Möchtegern-Verehrern entgegengebracht wurde, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten.
Ashton wartete eine Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, darauf, dass das Mädchen hochschaute und ihn ansah. Als sie das endlich machte, nahm er die Schultern nach hinten und streckte die Arme seitlich von sich. Von einer ungeheuren Erleichterung überwältigt hörte er zu, wie ihr Schreckensschrei in der Brise verklang.
Dann machte er einen Schritt von der Brüstung ins Freie.
Vierzehn
Carlyle bildete sich etwas darauf ein, Politikern nicht viel Beachtung zu schenken, aber selbst er kannte sich bei Christian Holyrod ziemlich gut aus. Je nach Stimmung der Boulevardzeitungen als »the Holy Rod«, »the Rod«, »Hot Rod« oder »der Held von Helmand« bezeichnet, hatte sich Holyrod einer Presse erfreut, von der andere Politiker nur träumen konnten. Zwei Jahre zuvor war er Major Holyrod gewesen, Kommandeur des zweiten Bataillons im Regiment Duke of Wellington – Wahlspruch: Virtutis Fortuna Comes oder »Das Glück ist mit dem Tapferen«. Es war eine der ersten britischen Kampfgruppen gewesen, die in die Provinz Helmand im Südwesten Afghanistans mit dem Auftrag abkommandiert wurden, »Terry Taliban« die Hölle heißzumachen.
Holyrods Weg vom unbesungenen Helden zum Spitzenpolitiker begann mit der Ankunft einer US -amerikanischen Dokumentarfilmcrew, die die Geschichte von Operation Clockwork Orange filmen wollte, eine Mission zur Gefangennahme eines Terroristenführers in seiner Lehmfestung am Ende der Welt. Die Mission war ein totales Fiasko, Holyrods Jungs gerieten in einen Hinterhalt, was einen schnellen Rückzug erforderlich machte, aber die Feuergefechte und das allgemeine Chaos, das folgte, ergaben großartiges Fernsehen. Wacklige, mit der Handkamera gemachte Bilder des Majors, der »Kontakt, Kontakt, Kontakt!« rief, während er Salven aus seinem Sturmgewehr SA 80-A2 verschoss und versuchte, einen verwundeten Soldaten zurück zu seinem Armeelaster zu zerren, waren mindestens so packend wie alles, was Hollywood hätte aufbieten können. Sie schafften es in alle größeren Nachrichtenblätter in Großbritannien, bevor der Film in den USA gesendet wurde. Fast zwei Tage lang war es mit mehr als fünfundvierzig Millionen Hits das am meisten gesehene Video auf YouTube. Holyrod wurde über Nacht berühmt. Er bekam eine eigene Talkshow im Radio angeboten, unterschrieb einen Vertrag für eine Zeitungskolumne, nahm sich einen Agenten und erhielt mehr als hundert Heiratsanträge.
Das Verteidigungsministerium war angesichts seiner verzweifelten Suche nach »guten Nachrichten« im Zusammenhang mit einer Geschichte, die vom ersten Tag an eine völlige Katastrophe war, seinerseits zunächst mehr als glücklich, eine Menge Journalisten dem Major die Bude einrennen zu lassen. Holyrod genoss die Aufmerksamkeit, machte sich aber zunehmend Sorgen, dass das Ministerium die zu erledigende Aufgabe, das heißt, die Bekämpfung des Feindes, ernsthaft unterschätzt habe. Der Ton seiner Interviews wurde immer pessimistischer, wenn er »den gesamten Zusammenhang« betrachtete. Nachdem er einer sehr netten jungen Frau vom Sunday Express erzählt hatte, dass »die ganze Sache vor die Hunde gegangen ist«, wurde er »zu Gesprächen« nach London zurückbeordert. Seine Rückkehr an die Front wurde dann abgebrochen, als er bei laufender Kamera den Außenminister, der sich gerade mitten auf einer vierstündigen »Tour« bei den Truppen befand, wegen mangelnder Unterstützung »seiner Jungs« durch die Regierung Ihrer Majestät beschimpfte.
Die Medien stürzten sich natürlich gierig auf das Ganze. Die Öffentlichkeit ebenfalls. Meinungsumfragen gaben zu erkennen, dass Holyrods Beliebtheitsgrad enorm war. Kein Politiker konnte mit ihm konkurrieren. Das Zeitfenster des Majors hatte sich geöffnet,
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