Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
handelte.
Die Deutsche wirkte ruhig und gefasst, als sie Li Yandao ihr Zimmer präsentierte.
»Nicht schlecht, was? Chinesische Gründlichkeit?«
Li Yandao war beeindruckt. Kopfschüttelnd zog er eine kleine Kamera aus der Tasche und machte einige Fotos.
»Hier hat jemand ganze Arbeit geleistet. Was ist gestohlen worden?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Überhaupt nichts. Was mich nicht wundert, da ich meine Wertsachen immer bei mir trage«, sagte sie und klopfte auf ihren Bauchbeutel. »Der Dieb hat anscheinend gehofft, dass ich mein Geld und meinen Pass im Zimmer gelassen habe.«
»Hm. Er hat sich viel Mühe gegeben, Ihr Zimmer zu verwüsten. Für mich sieht es eher so aus, als hätte er nach etwas Bestimmtem gesucht.«
»Aber was außer Geld sollte einen Einbrecher interessieren?«
»Haben Sie wirklich keine Idee, Fräulein Ma?«, fragte Li Yandao eindringlich. Ma Li Huo war eine schlechte Schauspielerin. Ihr betont lockeres Auftreten wirkte falsch, und er besaß genug Menschenkenntnis, um ihre Verunsicherung zu spüren. Sie verbarg etwas vor ihm.
Ma Li Huo zuckte mit den Schultern. »Bei mir ist nichts zu holen.«
»Trotzdem ist es eigenartig. Der Einbrecher hat nur ein einziges Zimmer durchsucht: Ihres. Warum?«
»Ich weiß es nicht!«, wiederholte sie gereizt.
»Schon gut, schon gut«, sagte er beschwichtigend. »Wie soll es jetzt weitergehen? Wollen Sie das Zimmer wechseln?«
»Ich denke, das wird nicht nötig sein. Bestimmt hat der Dieb schon die nächste alleinreisende Touristin im Visier.«
»Klingt überzeugend«, sagte Li Yandao nicht sehr überzeugt. »Es war also nur ein Zufall.«
»Natürlich war es ein Zufall.«
Yandao brummte etwas Unverständliches und begann, eine Nummer in sein Handy einzugeben.
»Wen rufen Sie an?«
»Es soll jemand kommen und die Spuren sichern.«
»Wozu? Es ist doch nichts gestohlen worden.«
Er hörte auf zu tippen und schob das Handy zurück in die Hosentasche. »Wahrscheinlich finden wir ohnehin nur die Haare von Gästen der letzten zehn Jahre«, sagte er müde. »Trotzdem möchte ich nach Fingerabdrücken suchen lassen. Wenn Sie mir versprechen, die glatten Flächen in Ruhe zu lassen, schicke ich erst morgen früh jemanden vorbei.«
»Fingerabdrücke? Ich habe doch schon alles angefasst.«
»Lassen Sie einfach alles so liegen, wie es ist.«
»In Ordnung. Und vielleicht ist das hier« – sagte Marion und deutete auf das Chaos – »ein Grund für das Hotelmanagement, endlich mal zu renovieren.«
Yandao musste lachen. »Gut, dann werde ich jetzt gehen«, sagte er. »Ich habe Schlaf nötig. Morgen Vormittag hole ich Sie ab, um den Einbruch auf der Polizeistation aufzunehmen.«
»Ich werde entweder unten im Café oder in meinem Zimmer auf Sie warten. Schlafen Sie gut und – danke, dass Sie sich herbemüht haben.«
»Es ist mein Job. Außerdem sollen Sie mit einem guten Bild von China nach Hause reisen. Nach allem, was Ihnen bisher zugestoßen ist, habe ich einiges zu tun, um es wieder geradezurücken, oder?«
»Ich habe eine gute Meinung von China. Und von seinen Bewohnern ebenso, sonst würde ich Ihr Land wohl kaum zum dritten Mal besuchen. Es müsste Schlimmeres passieren, um mich von China fernzuhalten.«
»Das will ich nicht hoffen. Stellen Sie trotzdem dieses Sesselwrack vor die Tür.«
»Zu Befehl, Herr Kommissar.« Sie brachte ihn zur Tür. »Wir sehen uns morgen.«
Der Nachtportier hatte seine Position nicht verändert. Li Yandao ließ ihn schlafen, setzte sich an den Computer hinter dem Empfangstresen und suchte ergebnislos nach den Daten der Hotelgäste. Soweit er es beurteilen konnte, benutzten die Angestellten den Computer ausschließlich zum Programmieren der Schlüsselkarten.
In einer Schublade fand er eine ungeordnete Sammlung von ausgefüllten Registrierformularen und Quittungen in drei- und vierfacher Ausführung. Während er stumm die chinesische Bürokratie verwünschte, sichtete er die Papiere, bis er endlich den Anmeldungszettel von Ma Li Huos Zimmernachbarn in der Hand hielt. Nachdem er die Daten in sein Buch übertragen hatte, schrieb er eine kurze Notiz, in der er die Morgenschicht des Hotels anwies, den Gast nicht abreisen zu lassen, bevor er mit ihm gesprochen hatte. Er sah keinen Grund, den Mann jetzt zu stören, und nahm sich vor, ihn am nächsten Morgen als Erstes zu besuchen.
Li Yandao gähnte herzhaft. Er hätte viel darum gegeben, ausschlafen zu können, aber die Verbrecher scherten sich wie üblich nicht um
Weitere Kostenlose Bücher