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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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breiten Mund. Das trockene Wüstenklima hatte tiefe Furchen in ihre Haut gegraben, obwohl die Frau kaum älter als fünfundvierzig Jahre sein konnte. Sie sah aus wie eine Türkin. Im Gesicht eines jungen Mädchens spiegelten sich die mongolischen Züge ihrer Vorfahren aus den nördlichen Steppen wider, die als Eroberer gekommen waren und ihre Spuren hinterlassen hatten. Ihre Augen hatten die Farbe von dunklem Honig und waren leicht schräg gestellt. Unter dem kokett gebundenen Kopftuch einer ausgesprochen hübschen grünäugigen Frau quollen lockige braune Haare hervor. Und wieder eine andere war dunkelblond und hatte die hohen Wangenknochen der Slaven. Sie schienen sich untereinander sehr gut zu verstehen und scherzten und lachten die ganze Fahrt über.
    Der Karren hielt vor einem Nebeneingang. Marion folgte den Frauen durch das Tor in die schattigen Tiefen des riesigen Markts. Zehntausende von Menschen drängelten, schoben und schubsten sich durch die Hallen, eine unüberschaubare Menge aus feilschenden, keifenden, zankenden Bauern und Händlern, die versuchten, sich gegenseitig zu übervorteilen. Die Verkaufstische verschwanden unter Bergen von Waren: muslimischen Kappen, Pelzmützen und wertvollen Teppichen, Plastikeimern und preiswerter Kleidung, Stoffballen, Seifen, getrockneten Früchten, bunt lackierten Kinderwiegen, gerahmten Koranversen und Kuckucksuhren aus pinkfarbenem Kunststoff. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Marion die Frauen von dem Eselskarren aus den Augen verloren hatte. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, sie wiederzufinden. In dem Gedränge des Markts fühlte sie sich sicher.

    Der große Mann mit den welligen Haaren stieß seinen Nachbarn an. »Da ist sie.«
    »Wo?« Ein erwartungsvoller Ausdruck überflog das Gesicht des kleineren Mannes. Ein auffälliges, an die Form eines Käfers erinnerndes Geburtsmal prangte auf seiner rechten Wange. Sein Begleiter, der stolz auf seine Englischkenntnisse war, hatte ihm deswegen vor langer Zeit den englischen Spitznamen Bug verpasst.
    »Vor dem Messerladen.« Der Große wies auf einen Stand auf der anderen Seite des Gangs. Als sich unvermittelt eine Lücke in dem Menschenstrom öffnete, entdeckte auch sein Begleiter die Gesuchte. Der Besitzer des Standes reichte der Touristin gerade eines der traditionellen uighurischen Messer. Plötzlich ließ sie es fallen und machte eine abwehrende Geste. Bevor Bug sehen konnte, wie der Standbesitzer reagierte, schloss sich die Lücke wieder. Sofort drängelten er und der Große sich rücksichtslos zu ihr hinüber.
    Sie kamen zu spät. Die Touristin war nirgends mehr zu sehen. Bug packte den völlig überrumpelten Händler am Kragen.
    »Wo ist die Ausländerin?«
    Der Mann zeigte eingeschüchtert zum Nachbarstand. Bug konnte gerade noch einen Blick auf die blau-rot gestreifte Mütze der Touristin erhaschen, bevor sie in der Menge verschwand.
    »Turdi, komm!«, rief er dem Großen zu und hastete der Frau nach. »Sie darf uns nicht noch einmal entwischen.«
    Es war fast unmöglich, eine einzelne Person in dem Gewühl im Auge zu behalten. Glücklicherweise sahen Bug und Turdi immer wieder die alberne Mütze der Touristin zwischen den Köpfen der Marktbesucher aufblitzen; andernfalls hätten sie keine Chance gehabt. Es war ihnen auch so bisher nicht gelungen, dicht genug an sie heranzukommen. Angespannt schlich Bug hinter ihr her und wartete auf die passende Gelegenheit. Turdi hielt sich unmittelbar hinter ihm.
    Die Gelegenheit bot sich, als sich die Touristin vor einem Stand in eine Menschentraube drängte. Es fiel niemandem auf, dass sich Bug mit gezücktem Messer dicht hinter sie stellte. Er prüfte unauffällig die Klinge. Sie war rasiermesserscharf.
    * * *
    Zur selben Zeit hastete der Professor missgelaunt eine schmale Straße hinunter. Ein kalter, feiner Regen hatte im Laufe des Vormittags die Erde aufgeweicht und unappetitliche Pfützen hinterlassen, die ihn zu einem Zickzackkurs zwangen. Unter keinen Umständen wollte er seine teuren englischen Schuhe mit Schlamm besudeln. Ein kleines Schild erregte seine Aufmerksamkeit: Der Goldene Drache. Er betrat das Restaurant.
    Eine Woge von würzigen, schweren Essensgerüchen, gemischt mit dem unangenehmen Mief nasser Kleidung schlug ihm entgegen. Alle Tische, es mochten etwa zwanzig sein, waren vollbesetzt, und der Lärm der Gäste war gewaltig – eine Kakophonie aus Lachen, lautstarken Unterhaltungen, Husten und unappetitlichem Spucken. Der Professor ließ seinen

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