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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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rechnete jeden Augenblick damit, dass einer der Soldaten sie anhielt und gefangen nahm, aber die Männer behelligten sie nicht. Sie stieg vom Pferd und zog das widerspenstige Tier durch das Tor. Sofort wurde sie Teil der sich in den Gassen drängelnden Menschenmenge, und ihre Augen weiteten sich voller Erstaunen. Chinesische Soldaten, stämmige Steppenleute, hochgewachsene Männer mit hellen Haaren und grünen Augen und viele andere riefen in fremden Sprachen durcheinander, handelten, lachten, aßen und tranken. Schneemond wurde schwindelig. Der Lärm war betäubend, und der Gestank von menschlichen Fäkalien, verrottenden Abfällen und tierischen Ausdünstungen bereitete ihr Übelkeit. Sie hielt die Hand vor den Mund und drückte sich gegen eine Hauswand. Ein Mann mit einer spitzen Filzmütze auf dem Kopf führte ein Kamel an ihr vorbei und verschwand in dem höhlenartigen Eingang eines großen Hauses.
    Schneemond war überwältigt. Wie sollte sie zwischen diesen vielen Tausend Menschen jemals einen chinesischen Medizinmann finden?
    »Bist du das erste Mal hier?«, fragte eine Stimme neben ihr. »Du siehst verloren aus.«
    Der Mann war Xiongnu, aber seine Kleidung sah eigenartig aus. Unter einem Fellumhang trug er eine Jacke in leuchtenden Farben, die schöner war als alles, was die Leute ihres Klans besaßen. Ob dies die Seide war, von der die Frauen in den Zelten sprachen?
    Schneemond grüßte, erleichtert, ihre eigene Sprache zu hören. »Ich bin gerade angekommen und suche einen Medizinmann. Mein Bruder ist schwer verletzt.«
    »Das sollte kein Problem sein«, antwortete der Mann. »Komm mit mir. Meine Frau wird dir Essen geben, und dann besuchen wir den Medizinmann.«

    Das Haus des chinesischen Arztes stank so stark nach faulenden Pflanzen und getrockneten Tieren, dass Schneemond sich die Nase zuhielt. Der Chinese hörte ernsthaft zu, als der Xiongnu-Händler ihm Schneemonds Anliegen übersetzte. Verzagt beobachtete sie, wie er den Kopf wiegte und hin und wieder eine Zwischenfrage stellte. Als der Händler fertig war, schloss der Chinese die Augen und dachte konzentriert nach.
    Schneemond fuhr mit der Zunge über ihre aufgesprungenen Lippen. Sie konnte den Blick nicht von der faszinierenden Gestalt des Mannes nehmen. Seine Haut erinnerte sie an schlecht gegerbtes, fleckiges Leder, das sich in Falten über sein Gesicht legte. Er hatte den Mund leicht geöffnet und gab den Blick auf eine unordentliche Reihe gelber Zähne frei. Der Mann besaß nur noch einige wenige Haarsträhnen, die sich unter einer bunten Seidenmütze hervorstahlen. Er musste sehr, sehr alt sein.
    Nach einer langen Zeit öffnete der Chinese die Augen, und während er mit dem Xiongnu-Händler sprach, sah er Schneemond forschend an.
    »Was sagt er?«, fragte sie ungeduldig.
    »Er kann dir helfen, aber es wird teuer. Die Kräuter und Puder stammen aus der Hauptstadt von China und sind äußerst wertvoll.«
    »Wie viel?«, fragte Schneemond und zog den schweren Beutel unter ihrem Umhang hervor.
    »Dreitausend Käschmünzen.«
    »So viel habe ich nicht«, sagte sie bestürzt.
    »Wie viel hast du?«
    »Siebenhundertachtzig. Ich dachte, dass es sehr viel ist.«
    »Hast du etwas anderes, womit du die Medizin bezahlen könntest?«
    »Mein Vater hat mir dies hier zum Tauschen gegeben, aber ich weiß nicht, was darin ist.«
    Schneemond reichte dem Mann das Kästchen. Er öffnete es und betrachtete zweifelnd den Inhalt. »Ich frage ihn.«
    Der Xiongnu gab das Kästchen an den Chinesen weiter, der es gründlich untersuchte. Schließlich öffnete er es und nahm eine Pferdefigur heraus, die golden aufblitzte, als er sie in einen verirrten Sonnenstrahl hielt. Schneemond bedauerte plötzlich, dass sie sich den Inhalt der Schachtel nicht vorher angeschaut hatte. Es erschien ihr wie eine Entweihung, dass diese Schachtel, die sich seit so langer Zeit im Besitz ihrer Familie befand, von den klauenartigen Händen des Chinesen berührt wurde. Ein gieriges Glitzern trat in die Augen des Alten. Beinahe hätte sie ihm die Figur entrissen, aber dann sah sie ihren sterbenden Bruder vor sich. Kein Preis war zu hoch, wenn sein Leben gerettet werden konnte.
    »Er akzeptiert es als Bezahlung«, sagte der Xiongnu.
    »Gut. Wo ist die Medizin? Ich reite heute noch zurück.«

    Ihr Vater saß vor dem Zelt und empfing Schneemond mit einem strahlenden Gesicht.
    »Dein Bruder ist stark! Er lebt!«, rief er ihr entgegen.
    Entkräftet rutschte Schneemond vom Pferd und stolperte auf

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