Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Pappmaché-Magen seine Zerstörungswut austobte. Auf seiner grünen Kapuze wippten an langen Spiralfedern zwei Pingpongbälle.
»Soll das etwa eine Bakterie sein?«
»Was sonst?«, sagte Robert hingerissen. »Ist es nicht großartig?«
Marion tippte sich gegen die Stirn: »Über Geschmack lässt sich nicht streiten« sagte sie und schlängelte sich am Fernseher vorbei. Dabei wäre sie beinahe auf ein Modellauto getreten. Sie hob es auf und betrachtete den ramponierten ferngesteuerten Ferrari von allen Seiten.
»Du transportierst ein Spielzeugauto durch China?«, fragte sie ungläubig.
»Warum nicht? Ich hatte schon eine Menge Spaß damit. In Indien habe ich meine Videokamera auf das Auto geklebt und es über öffentliche Plätze fahren lassen. Gefällt es dir?«
»Allerdings. Gibst du mir die Fernbedienung?«
»Klar.« Robert wühlte in seinem Bett herum. »Vorhin war sie noch da«, murmelte er. »Na also.« Er hatte die Fernbedienung schließlich gefunden und reichte sie Marion hinüber. Begeistert ließ sie das Auto im Zimmer herumflitzen.
»Du kannst das ja richtig!«
»Ich hatte auch mal so ein Auto, einen knallgelben Käfer mit Rallyestreifen. Ich musste richtig dafür kämpfen, weil meine Eltern meinten, so etwas sei nur ein Spielzeug für Jungen.« Sie lachte. »Meine Eltern haben sich nie damit anfreunden können, dass ihr kleines Mädchen kratzte und biss, wenn sie es in Kleidchen und Schühchen stecken wollten. Als mein älterer Bruder und ich einmal völlig verdreckt und zerbeult von einer Prügelei mit der Bande aus der Nachbarstraße nach Hause kamen, meinte meine Mutter, sie hätten mich wohl besser Mario nennen sollen.«
Sie ließ das Auto noch eine Runde fahren, parkte es neben Robert und gab ihm die Fernbedienung zurück. »Kommst du mit ins Internetcafé?«, fragte sie.
Robert schwang die Beine über die Bettkante. »Gute Idee. Seit ich mein letztes Lebenszeichen verschickt habe, ist eine Ewigkeit vergangen.«
»Ich war seit über zwei Wochen nicht mehr im Netz«, bemerkte Marion und schlüpfte in ihre lange Unterwäsche. »Meine Leute befürchten garantiert schon, dass ich zu ›Marion süßsauer‹ verarbeitet worden bin.«
* * *
Zur selben Zeit betrat ein nervös wirkender Chinese, der eine auffallend starke Brille trug, ein einfaches Lokal in Kashgar. Das Restaurant war vollkommen leer, was ihm sehr recht war. Gewohnheitsmäßig wählte er einen Platz in der Nähe der Tür und ließ seine magere, kleine Gestalt auf einen der Plastikstapelstühle sinken. Er legte sein Handy vor sich auf den Tisch, dann nestelte er eine Packung Zigaretten der Marke »Rote Pagode« aus der Tasche und zündete sich eine an.
Ruhig, dachte er, du musst dich beruhigen. Es hat nicht geklappt. Beim nächsten Mal klappt es. Natürlich klappt es beim nächsten Mal. Nachdem er die vierte Zigarette auf dem Boden ausgetreten hatte, wischte er seine feuchten Handflächen an der Hose ab. Er nahm das Handy und wählte eine Nummer. Am anderen Ende wurde sofort abgehoben, aber die Leitung blieb stumm.
»Es ist schiefgegangen, Professor«, sagte er schließlich.
Stille.
»Der Bus hatte einen Unfall. Bug ist tot.«
»Wer ist tot?«, fragte der Professor.
»Der Taschendieb, den wir auf die Touristin angesetzt hatten.«
»O nein! Und nun? Wo ist sie? Wang! Wo ist das Jadepferd?«
»Mein Informant im Polizeirevier hat mir gesteckt, dass sie in Turfan ist, im Turfan-Hotel. Die Figur wird sie wohl noch bei sich haben.«
Wieder nahm sich der Professor endlos lange Zeit für eine Antwort. Der Mann, den der Professor Wang genannt hatte, wartete. Aus den Augenwinkeln sah er einen neuen Gast das Restaurant betreten. Wang versuchte fahrig, sich mit einer Hand eine Zigarette aus der Packung zu ziehen. Es misslang, und die Packung fiel zu Boden. Fluchend beugte er sich nach unten, aber der neue Gast kam ihm zuvor. Lächelnd hielt der Mann Wang die Packung hin. Ungläubig blinzelte Wang den hilfsbereiten Mann durch seine dicken Brillengläser an. Hatte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen? Musste Kommissar Li ausgerechnet heute seinen Feierabend in diesem Restaurant verbringen?
In dem Moment meldete sich der Professor wieder zu Wort. »Schick Turdi nach Turfan. Er hat einiges gutzumachen. Nikolai wird ihn dort treffen.«
Die Erwähnung Nikolais riss Wang aus seiner Starre. Er nahm dem Kommissar die Zigaretten ab und wies entschuldigend auf sein Handy. Der Kommissar, der ihn glücklicherweise nicht kannte, nickte ihm
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