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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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war.
    Sie schlugen mit Fäusten an das Gitter und versetzten dem Eisen schallende Fußtritte mit ihren Holzpantoffeln. Niemand zeigte sich. Ein riesengroßer schwarzer Kater mit gelben Augen stand drinnen auf dem Prellstein und sah hochmütig auf die Lärmenden. Die Weiber brüllten ihre zwei Worte. Mit vorgestrecktem Halse wie eine Horde schmutziger Hunde standen sie da und heulten. Immer lauter, immer drohender. Die Groffsche begann den Kater anzuspucken, der vornehm zur Seite wich. Sie machte größere Anstrengungen. Andere folgten nach. Ein Gebalge entstand. Die Sache schien den meisten Spaß zu machen. Der Schlachtruf wurde nur noch mechanisch und nur von wenigen weitergeführt, man sang und lachte. In diesem Augenblick kam der Portier mit dem Schlüsselbunde, öffnete das Tor und trat dann zurück, einem alten Herrn in grauem Sommerröckchen Platz zu machen, der gemächlich, mit wiegendem Gang, herausschritt. Er ging auf die Dicke zu, die am lautesten geschrien hatte, faßte sie an den Schultern und drehte sie halb um.
    Tiefes Schweigen plötzlich. Der alte Schlotterbach lächelte freundlich. » Bonjour, les commères, ah bonjour! Ihr kumme g'wiß goh luege, wie's eure Männer do g'fallt. Eh bien, 's g'fallt ihne ganz guet. Nur darf m'r ihne net in d' Ohre blase, sell könne sie net vertrage. Sunscht git's d'r Buckel voll.«»Uese mit! üse mit!« riefen die Weiber.
    Der Fabrikherr stemmte die Hände in die Seiten.
    » Nundedié , das heißt m'r emol verliebt! Ihr bekumme eure Mannsbilder noch früh g'nug in euer Bett. Sin froh, daß ihr e paar Stündle Ruh han vor ihne.«
    Brüllendes Lachen. Dreckige Witzworte hinüber und herüber. Wieder griff Schlotterbach eine heraus, die er auf den Rücken klopfte, eine alte Zahnlose, deren Gesicht schwarz aussah von kleinen Härchen: »Gang heim, mon ange , sunscht brennt d'r d' Erdäpfelsuppen a, i schmeck sie scho von do!« Sie kicherten verlegen. »I sag's euch noch emol im guete,« fuhr er ernsthafter fort, »mit 'm Spektakelmache kummt m'r net wieter. I bin jo emol salwer Arweiter g'si, ich weiß, wie das Ding geht. Un wenn i net so ferme g'schunde hätt', Tag und Nacht, so war i's bliewe bis zur hutige Stund. Awer grève un révolte , jo, bonsoir , sell isch numme a Hypothek uf's Armehüs. Un noch ebbes: Sin froh, daß eure Männer noch schaffe könne für euch! Grad ewe han i g'hört, daß es wieder Krieg gebe soll, weil d' Litt im Ländle z' übermütig worde sin. D'rno isch's der empereur , wo sait: üse mit ihne! Salut ! D'rno könne ihr euch eure Männer in Pelzpommre z'sammesuche, und d'rno isch's Amen. Voilà .«
    Die bauernschlauen Augen zwinkerten, der Mund vergaß sich einmal kurz und wurde zynisch. Der Alte ging gleichgültig zu dem Kater, der wieder auf dem Prellstein saß, und streichelte ihm das Fell.
    Es war ganz still geworden unter den Weibern.
    »Aber die bonnes sœurs han's g'sait,« fing die Rosenkranz-Schorschre an. Ein derber Schubs ihrer knochigen Nachbarin beförderte sie jenseits der Debatte.
    »No, so geh m'r jetzt!« sagte eine halblaut. Aber es wirkte in der Stille wie ein Kommando. Der Portier mit den Schlüsseln, ein riesiger Mensch mit schwarzem, lockigem Vollbart, trat vors Tor und schob mit ausgebreiteten Armen das Trüppchen lachend zurück. Die seinem Mund am nächsten war, bekam einen Kuß mitten ins Gesicht, daß sie belustigt aufkrähte. Anderedrängten an ihn heran, schon im voraus kreischend. Unter Gesang und Gelächter zogen sie dann an Bourdons Bänkchen vorbei, ohne ihn, der sich ganz im Ulmenschatten zusammendrückte, zu sehen. Hummel, der am Bach stand, sah sie auf der Wiese, die von Blumen wie mit blauen und weißen Tüchern belegt war, sich zusammenhümpeln, dann verstreuen. Ein Kind, ein blonder Schmutzfink, mit Ringelblumenbehängen überm Ohr, stand einsam da und heulte: »Weil m'r doch ins Schloß hatte kumme solle, wo alles von Gold isch, und wo m'r hätte alles mitnehme dürfe.«
    Der Pharmacien war vortrefflicher Laune geworden. »Ah le vieux juif,« sagte er zu Hummel, »er weiß so gut wie wir, daß es mit dem Krieg nix ist. Er läßt sich ja immer die côte aus Mülhausen telegraphieren, den Stand der Börse, die rente, vous savez !«
    Er trat jetzt über den Bach hinüber in den noch offenen Hof hinein und beglückwünschte den alten Schlotterbach, der dort mit dem Portier sprach. »Grad wollte ich Ihnen zu Hilfe kommen, Père Schlotterbach!«
    » Merci vielmol! Ihr brauchen euch net z'derangiere. Il n'y a

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