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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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ging an ihre Arbeit zurück. Françoise stand einen Augenblick, die Stirn an die Scheibe gepreßt, ihre Augen waren groß und flammend geöffnet. Eine unbestimmbare Gier nach Fremdem, unerhört Bewegendem hatte sie auf einmal erfaßt. Noch recht, recht viel sich einverleiben von all dem Herrlichen, das draußen wartet, ehe man sich seinen Alltag baut!
    Aber dann ging dies ihr selbst Verwunderliche wieder schlafen. Er ist ein guter Mensch, dachte sie, als sie zum Vorplatz zurückging. Er wird mich auf Händen tragen, und ich werde ihm eine treue und ergebene Gefährtin sein. Es wird sich gut schaffen lassen mit Pierre Füeßli zusammen.
    Sie stellte sich den gutgebauten, kraftvollen jungen Mann vor, dessen glänzend schwarzer Bart von Kraft, dessen blühendes Gesicht mit den dunkeln, fast melancholischen Augen von Wärme und Güte sprach. Sie glaubte, ihn lieben zu können.
     
    Der Empfang war freundlich gewesen in der Apotheke und wurde immer herzlicher. Hummel empfand sich bald als zugehörig, sogar seltsam vertraut. Ihm schien, als habe er das alles irgendwann schon einmal genau so erlebt oder geträumt.
    Man hatte zuerst in der schmalen »salle à manger« bei Abendsuppe, Huhn und Omelette, noch ein wenig steif, beisammengesessen.
    Hummel hatte von Jena erzählen müssen, von den bunten Mützen der Studenten und den Mensuren. Tante Amélie machte ihre dunkeln Augen rund. »Grad wie beim mardi gras !«
    Sie war eine umfangreiche, aber noch feste Frau mit tiefer Stimme und energischen Bewegungen. Das Schnurrbärtchen auf der Lippe war schwärzer als ihr dichtes, hochgetürmtes Haar. Der Apotheker machte neben ihr einen fast weichlichen Eindruck: lang und schwank und kahl, mit tief verfalteten Augenlidern, ein bleiches Gesicht, dem das Alter Kinn und Nase genähert hatte. Die beiden Alten versuchten gefällig ihr Hochdeutsch, fielen aber immer wieder ins Französische und in ihr Elsässisch zurück. Sie erzählten vom Lokalereignis, vom Streik. Ganz Mülhausen sei in Bewegung. Die Arbeiter zögen singend und lachend hinauf nach »Tannenwald« und »Dollermatte« und schrien »Vive l'empereur« .
    Was denn der Kaiser mit dem Streik zu tun hätte, fragte Hummel.
    Oh, pas grand' chose , die Arbeiter glaubten wohl, dem Napoleon sei es recht, den Mülhauser Fabrikanten etwas am Zeug zu flicken.
    Das sei sehr töricht gedacht, meinte Tante Amélie eifrig, denn hatte nicht Napoleon bei seinem Regierungsantritt gesagt: L'empire c'est la paix? Wie konnte er also solche Krawalle protegieren wollen? Aber Onkel Camille biß sich fest. Wenn auch! Die Mülhauser wären wirklich fast zu hochmütig. Und dann waren doch auch die meisten der großen Familien dort wüste Liberale; also von denen, die beim Plebiszit »Nein« gesagt hätten, und vor allem, sie seien Evangelische. Denen geschehe es ganz recht.
    Hummel lachte ihn scherzend an. So? Also das war Onkel Camilles Meinung? Nun, dann wäre es wohl am besten, er beeilte sich, aus dem Hause zu kommen, denn er selbst sei gleichfalls Protestant, wie die deutschen Hummels ja alle!
    Der alte Bourdon machte ein verlegenes Gesicht. Die Anwesenden – man wisse ja – wären immer ausgenommen, und er selbst sei ja gar nicht so, im Gegenteil, er hätte noch immeres verstanden, von jeder Meinung die gute Seite herauszufinden. Er sei kein Raisonneur wie andere hier in Thurwiller, Martin Balde, der Maire, zum Beispiel! Oh non!
    Man ging jetzt aus der ersten Etage in das Gartenzimmer, das zwischen Drogenstube und Verkaufsraum lag. Der Salon oben sei zu heiß. Übrigens benutzte das Ehepaar der Bequemlichkeit halber fast ausschließlich dieses ebenerdige Zimmerchen, das mit Generationen von Möbeln überfüllt war. Auf dem ovalen Tisch stand der Kaffee schon unter grüngestickter Bischofsmütze bereit. Man setzte sich. Die graue Katze machte sich's auf dem ausgesessenen geblümten Lehnstuhl auf dem Fenstertritt behaglich, Camille Bourdon stopfte sich eine lange Pfeife, während Madame noch geräuschvoll durchs Zimmer fuhr, ihrem Mann die braunseidene Kappe entgegenschleuderte, die er auf den Futternapf des Kanarienvogels gehängt hatte, den Tabaksbeutel, der neben der Zuckerdose lag, auf die Kommode warf, daß es stäubte, und ihn dann wieder zurückholte, um ihn neben die große Tasse mit aufgedruckten Stiefmütterchen zu legen. Dann bot sie dem Neffen eine Zigarre an, die sie ihm, trotz ihres matronenhaften Umfanges, mit einer gewissen Koketterie anzündete. Ein Geruch von Spezereien kam

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