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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Blick war ausdruckslos, mein Kinn entschlossen gereckt. Es gab nur einen Weg, meinen Willen durchzusetzen. Ich würde mich nicht übergehen lassen.
    Elizabeth spülte in der Küche das Geschirr. Auf dem Tisch stand eine Schale Haferbrei.
    »Die Arbeiter sind schon da«, verkündete Elizabeth und wies mit dem Kopf in Richtung des Hügels, wo wir am Vorabend gestanden hatten. »Iss dein Frühstück und zieh deine Schuhe an, bevor ich noch ohne dich losfahre.« Sie drehte sich wieder zur Spüle um.
    »Ich komme nicht mit«, entgegnete ich. Ich erkannte an der Art, wie Elizabeth die Schulterblätter hängen ließ, dass sie enttäuscht, aber nicht überrascht war.
    Ich öffnete die Speisekammertür und nahm eine leere Leinentasche vom Haken.
    Obwohl es noch früh war, war es warm auf der Veranda. Langsam ging ich die Auffahrt entlang zur Straße. Wieder folgte Elizabeth mir nicht. Ich wünschte, es wäre kühler gewesen, und bereute, nichts Essbares eingepackt zu haben. Sicher würde ich schwitzen und Hunger bekommen, während ich im Graben vor der Gärtnerei saß. Aber ich würde warten. So lange, bis Grant endlich losfuhr. Und wenn ich die ganze Nacht am Straßenrand verbringen musste, ich würde ausharren. Irgendwann würde sein Pick-up aus dem offenen Tor gerollt kommen. Und dann würde das Haus ungeschützt sein.
    Sobald es so weit war, würde ich mich hineinschleichen, um mir zu holen, was ich brauchte.

9.
    R enata ließ sich am Sonntag nicht blicken. Marlena auch nicht. Ich glaubte, dass ich den Großteil des Tages im blauen Zimmer verbracht, das Baby gestillt und geschlafen hatte. Doch als ich mit voller Blase und leerem Magen herauskam, war es erst zehn Uhr vormittags.
    Ich lehnte mich an einen Barhocker und überlegte, ob ich duschen oder mir etwas zu essen machen sollte. Das Baby schlief im blauen Zimmer, und ich hatte Hunger. Doch mein Körpergeruch – saure Muttermilch, gemischt mit Babyöl mit Aprikosenduft – verdarb mir den Appetit. Also beschloss ich, zuerst zu duschen.
    Aus reiner Gewohnheit verriegelte ich die Badezimmertür, zog mich aus und stellte mich unter die heiße Dusche. Mit geschlossenen Augen und schlechtem Gewissen genoss ich es, einen kurzen Moment allein zu sein. Als ich nach der Seife griff, hörte ich ein schrilles Schreien. Es wurde zwar von der geschlossenen Tür gedämpft, war aber dennoch ziemlich durchdringend. Ich seifte mich weiter ein.
Nur eine Minute,
dachte ich.
Ich dusche nur rasch und bin gleich zurück. Ein bisschen Geduld
.
    Doch das Baby hatte keine Geduld. Seine Schreie wurden immer gellender und lauter, unterbrochen von einem verzweifelten Japsen. Hektisch fing ich an, mein Haar einzuschäumen, und ließ mir das Wasser in die Ohren laufen, um das Geräusch auszusperren. Vergeblich. Ich hatte das seltsame Gefühl, dass ich seine Stimme hören würde, auch wenn ich die Treppe hinunterging, zur Tür hinausspazierte und die ganze Stadt durchquerte. Die Schreie meiner Tochter erreichten meinen Körper nicht nur mit Schallwellen. Sie brauchte mich, sie hungerte nach mir, und dieser Hunger übertrug sich von ihrem Körper auf meinen.
    Ich kapitulierte vor dem Geräusch und sprang aus der Dusche. Seifenschaum klebte in meinen Haaren und rann mir in weißen Bächen die Beine hinunter. Ich hastete durchs Wohnzimmer, griff ins blaue Zimmer, hob das brettsteife, schreiende Baby auf und drückte es an meine seifige Brust. Es öffnete den Mund, schnappte nach Luft, hustete, saugte und wiederholte das zwei oder drei Mal, bis es sich genug beruhigt hatte, um zu trinken. In der Dusche plätscherte das Wasser in die leere Wanne und den Abfluss hinab.
    Ich rutschte die Wand hinunter und setzte mich in die Pfütze, die zu meinen Füßen entstanden war. Wenn ich ein sauberes Handtuch besessen hätte, hätte ich es geholt. Aber es war keines mehr da, und das würde wohl eine lange Zeit so bleiben. Ich war keine Marlena. Ich konnte kein Baby mitsamt Wäschesack den Hügel hinaufschleppen und vibrierende Waschmaschinen mit Vierteldollarmünzen füttern, während ein hungriger Mund an meiner nackten Brust hing. Ich wünschte, ich hätte vor der Geburt ans Wäschewaschen gedacht.
    Genau genommen hätte ich an eine ganze Menge von Dingen denken müssen, aber nun war es zu spät dafür. Ich hätte Windeln, Lebensmittel und Babykleidung kaufen sollen. Es wäre auch ratsam gewesen, die Heimservice-Speisekarten jedes Restaurants auf dem Hügel zu sammeln und die Telefonnummer eines Pizzaservices

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