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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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erschien Mutter Rubina und begann mit ihrem üblichen Tagesablauf. Sie stellte mir Hunderte von Fragen zu Blutungen, Bauchschmerzen und Appetit, kontrollierte, ob ich am Vorabend etwas gegessen hatte, und hörte dem Baby das Herz ab, bevor sie es in die Stoffschlinge legte.
    »Vierundzwanzig Gramm«, verkündete Mutter Rubina. »Du machst das prima.« Sie nahm das Baby aus der Schlinge und wickelte es. Dabei brach die Nabelschnur ab, die ich noch nie berührt hatte und nach Möglichkeit nicht ansah.
    »Glückwunsch, mein Engel«, flüsterte Mutter Rubina meiner Tochter ins schlafende Gesicht. Das Baby drückte den Rücken durch und streckte die Hände aus. Die Augen blieben geschlossen.
    Mutter Rubina reinigte den Nabel des Babys mit etwas aus einer unbeschrifteten Flasche, hüllte es wieder in seine Decke und reichte es mir. »Keine Infektionen, sie trinkt, schläft und nimmt zu«, sagte sie. »Hast du Hilfe?«
    »Renata bringt mir Essen«, erwiderte ich. »Und Marlena war ein paar Tage hier.«
    »Gut.« Sie wanderte in der kleinen Wohnung hin und her und packte ihre Bücher, Decken, Handtücher, Flaschen und Tuben zusammen.
    »Gehst du?«, fragte ich erstaunt. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass sie den Großteil des Vormittags mit mir verbrachte.
    »Du brauchst mich nicht mehr, Victoria«, antwortete sie, setzte sich neben mich aufs Sofa und legte mir den Arm um die Schulter. Dann zog sie mich an sich, bis mein Gesicht an ihre Brust gedrückt war. »Schau dich an. Du bist eine Mutter. Glaube mir, es gibt viele Frauen, die mich viel nötiger haben als du.«
    Ich nickte gegen ihre Brust und protestierte nicht.
    Sie stand auf und machte eine letzte Runde durch die Wohnung. Ihr Blick fiel auf die Dosen mit Babynahrung, die ich vor der Geburt gekauft hatte. »Ich werde sie spenden«, meinte sie und stopfte sie in ihre bereits volle Tasche. »Sie sind überflüssig. Ich komme nächsten Samstag und danach noch an zwei Samstagen wieder, um das Baby zu wiegen. Ruf mich an, wenn ich etwas für dich tun kann.«
    Ich nickte wieder und sah zu, wie sie leichtfüßig die Treppe hinunterging. Sie hatte mir nicht ihre Telefonnummer hinterlassen.
    Du bist eine Mutter,
wiederholte ich. Ich hoffte, die Worte würden mir Sicherheit verleihen. Doch stattdessen spürte ich, wie ein vertrautes Gefühl in mir aufstieg. Es begann tief in meinem Bauch und stürzte, immer schneller werdend, in die gewaltige Höhle, die das Baby beherbergt hatte.
    Panik.
    Ich versuchte, tief durchzuatmen und sie zu vertreiben.

8.
    I ch bereute mein Ultimatum.
    Entscheide dich zwischen mir oder deiner Schwester,
hatte ich mit meinen Worten gefordert. Da Elizabeth mir nicht nachgelaufen war, stand ihr Entschluss offenbar fest.
    Die ganze Nacht und bis in den Vormittag hinein schmiedete ich Pläne. Mein Wunsch stand fest: Ich wollte bei Elizabeth bleiben, und zwar nur bei Elizabeth. Allerdings fiel mir kein Weg ein, um sie zu überzeugen. Winseln und betteln kam nicht in Frage.
Kennst du mich denn nicht?,
pflegte sie mit einem belustigten Funkeln in den Augen zu fragen, wenn ich sie anflehte, Muffinteig essen zu dürfen. Verstecken konnte ich mich auch nicht; Elizabeth würde mich wie immer finden. Mich an den Bettpfosten zu binden und den Umzug zu verweigern schied ebenfalls aus. Elizabeth würde die Seile einfach durchschneiden und mich aus dem Haus tragen.
    Deshalb war meine einzige Chance, Elizabeth gegen ihre Schwester aufzuhetzen. Sie musste Catherine so sehen, wie sie wirklich war: als selbstsüchtige, hasserfüllte Frau, die ihre Zuwendung nicht verdient hatte.
    Und dann, plötzlich, fiel mir die Lösung ein. Mein Herzschlag dröhnte ohrenbetäubend, als ich reglos dalag, mir die Idee durch den Kopf gehen ließ und überlegte, wo der Haken war. Ich konnte keinen entdecken. Catherine hatte zwar meine Adoption sabotiert, mir aber auch die Munition geliefert, die ich brauchte, um Elizabeth ganz allein für mich zu behalten. Ich würde die Schlacht gewinnen, die Catherine unwissentlich angezettelt hatte, und das noch ehe sie überhaupt etwas von ihrer eigenen Kriegserklärung ahnte.
    Langsam stand ich auf, zog das Nachthemd aus und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Im Bad schrubbte ich mir so gründlich wie nie das Gesicht mit kaltem Wasser und Seife, bis meine Fingernägel dünne rote Furchen in den weißen Seifenresten hinterließen. Ich betrachtete mich im Spiegel und suchte nach Anzeichen von Angst oder Furcht vor dem, was nun geschehen würde. Doch mein

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