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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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auswendig zu lernen. Ich hätte mir einen Krippenplatz, eine Babysitterin oder beides besorgen müssen. Außerdem hätte ich einen Stapel Erziehungsratgeber lesen sollen. Und vor allem stand die Entscheidung für einen Namen noch aus.
    Doch das war nun alles nicht mehr möglich.
    Das Baby und ich würden schmutzige Handtücher benutzen, auf schmutzigen Laken schlafen und schmutzige Kleider tragen. Allein die Vorstellung, mehr zu tun, als zu stillen und zu versuchen, mich zu ernähren, war zu überwältigend, um auch nur daran zu denken.
    Wir überstanden den Montag, den Dienstag und den Mittwoch allein, abgesehen von einer Stippvisite von Renata, die mir etwas zu essen brachte. Es war Frühling. Die Geschäfte liefen, und Renata hatte nie eine Nachfolgerin für mich eingestellt. Marlena rief an und teilte mir mit, sie werde einen Monat lang Verwandte in Südkalifornien besuchen. Sie versprach, rechtzeitig für unsere Apriltermine zurück zu sein. Danach läutete das Telefon nicht mehr.
    Am Donnerstag trank das Baby den ganzen Tag. Kurz nach sechs wachte es zur ersten Fütterung auf, saugte ununterbrochen und schlief alle dreißig Minuten mitten im Stillen ein. Wenn ich versuchte, es von meiner Brust zu entfernen, schreckte es mit einem ohrenbetäubenden Geschrei hoch. Es schlief nur, solange es das Gesicht an meine nackte Haut pressen konnte. Sobald ich es ablegte, schrie es nach Milch, auch wenn es gerade noch fest geschlafen zu haben schien.
    Also fand ich mich mit meinem eigenen Hunger ab und lauschte den Frühlingsgeräuschen, die durch das offene Küchenfenster in die Wohnung wehten. Vogelgesang, quietschende Bremsen, ein Flugzeug, ein Schulgong. Ich streichelte die weiche Schulter des schlafenden Babys und sagte mir, dass das Hungergefühl ein angemessenes Opfer war, das man für ein so schönes Kind eben bringen musste. Doch im Laufe des Tages wanderte der Hunger von meinem Magen in mein Gehirn. Ich fing an zu halluzinieren, und zwar keine Bilder, sondern Gerüche: Phantomfleischklößchen, eine blubbernde Sauce und etwas Dunkles, Schokoladenartiges im Backofen.
    Als es Nachmittag wurde, hatte ich mir erfolgreich eingeredet, dass mich in meiner Küche ein mehrgängiges Menü erwartete. Das Baby immer noch an der Brust, kletterte ich aus dem blauen Zimmer. Beim Anblick des kalten Herdes, auf dem kein einziger Topf stand, und des leeren Backofens wäre ich fast in Tränen ausgebrochen. Ich legte das Baby auf die Anrichte und tätschelte es geistesabwesend, während ich etwas Essbares suchte. Hinten im Schrank entdeckte ich zwei Dosen Suppe. Das Baby wimmerte und begann zu schreien. Das Geräusch schwächte die Muskeln in meinen Händen, bis ich nicht mehr in der Lage war, die Schraube des Dosenöffners zu drehen. Bei der Hälfte der Dose gab ich es auf, bog den Deckel mit einem Löffel zurück und trank die kalte Suppe, ohne Luft zu holen. Als die Aludose leer war, warf ich sie ins Spülbecken. Das Baby zuckte bei dem lauten Geräusch zusammen und hörte lange genug zu schreien auf, dass ich sein Gesicht wieder an meine Brust drücken konnte. Ich trug es zurück ins blaue Zimmer. Mein Hunger war nicht gestillt.
    Der Freitag begann wie der Donnerstag, nur mit dem Unterschied, dass ich um weitere vierundzwanzig Stunden erschöpfter und ebenso hungrig war wie das unersättliche Baby. Ich aß Erdnüsse im Bett, während das Baby trank. Mutter Rubina hatte mich gewarnt, dass das Baby Wachstumsschübe durchmachen würde, und ich tröstete mich mit diesem Gedanken. Sicher würde es bald ausgestanden sein. Ich hatte ihm nicht mehr viel zu geben, sagte ich mir und fuhr mit dem Finger unter die Hautfalte, die einmal eine runde, volle Brust gewesen war.
    Als ich das schlafende Baby am Mittag von meiner Brust nahm, bemerkte ich, dass seine Lippen gerötet waren. Meine Brustwarzen waren ausgedörrt und rissig vom ständigen Saugen. Das Baby trank nicht nur meine Milch, sondern auch mein Blut. Kein Wunder, dass ich so erschöpft war. Bald würde nichts mehr von mir übrig sein. Sanft legte ich meine Tochter aufs Bett und betete, dass sie ausnahmsweise weiterschlafen würde. Im Gefrierschrank war noch eine Portion des Essens, das Marlena gekocht hatte.
    Doch das Baby wachte auf, sobald ich es losließ, und reckte das Kinn nach meiner wunden Brustwarze. Ich seufzte. Es konnte unmöglich noch Hunger haben. Aber ich hob es trotzdem hoch, damit es versuchen konnte, meiner schlaffen Brust weitere Milch abzupressen.
    Das Baby saugte

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