Die verborgene Sprache der Blumen / Roman
Lilien nicht magst, und geantwortet, für Kakteen hättest du auch nicht viel übrig.«
Ich richtete mich auf, um ihn anzusehen. Als sich seine Mundwinkel nach oben bogen, wurde mir klar, dass er die ganze Geschichte gehört hatte.
»Hat sie dir alles anvertraut?«, fragte ich. Grant nickte. Ich ließ meinen Kopf wieder auf seine Brust fallen und sprach meine nächsten Worte in seine Brust gedrückt. »Auch die Sache mit dem Feuer?«
Wieder nickte er. Sein Kinn presste sich gegen meine Stirn.
Lange herrschte Schweigen, bis ich schließlich die Frage stellte, die ich so lange für mich behalten hatte. »Wie kommt es, dass du die Wahrheit nicht kanntest?«
Grant antwortete nicht sofort. Als er es schließlich tat, wurden die Worte von einem tiefen Seufzer begleitet. »Meine Mutter ist tot.«
Da ich diese Äußerung als Aufforderung verstand, nicht weiter nachzuhaken, bedrängte ich ihn nicht. Doch nach einer kurzen Pause fuhr er fort.
»Es ist zu spät, um sie darauf anzusprechen. Aber ich glaube, sie dachte wirklich, sie hätte das Feuer angezündet. Inzwischen erkannte sie mich an den meisten Tagen nicht mehr. Sie vergaß zu essen und verweigerte ihre Medikamente. In der Brandnacht fand ich sie in ihrem Atelier vor. Sie beobachtete alles. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Dann fing sie an, krampfartig zu husten und zu würgen, als hätte sie Rauch eingeatmet. Ich bin zu ihr gegangen und habe ihr die Arme um die Schultern gelegt. Ich war überrascht, wie klein sie sich anfühlte. Wahrscheinlich war ich einen halben Meter gewachsen, seit sie mich zuletzt in den Armen gehalten hatte. Von Schluchzern geschüttelt, murmelte sie immer wieder denselben Satz vor sich hin:
Ich wollte das nicht
.«
Als ich mir den violetten Himmel und Catherines und Grants Silhouetten im Fenster vorstellte, spürte ich, wie die Verzweiflung zurückkehrte, die ich in der Hitze des Feuers empfunden hatte. Catherine hatte sie auch empfunden. In diesem Moment waren wir gleich gewesen, beide Opfer unserer Unfähigkeit, die Wirklichkeit zu begreifen.
»Und danach?«, wollte ich wissen.
»Sie hat ein ganzes Jahr lang violette Hyazinthen gezeichnet: mit Bleistift, Kohle, Tusche und Pastellkreiden. Schließlich fing sie an zu malen, alles von gewaltigen Leinwänden bis hin zu winzigen briefmarkengroßen Bildern. Hohe Stengel mit Hunderten kleiner Blüten. Nur für mich, sagte sie. Keine war gut genug für Elizabeth. Jeden Tag hat sie es wieder versucht.«
Hyazinthe.
Bitte vergib mir.
Ich erinnerte mich an die Gläser mit violetter Farbe in Catherines Atelier.
»Es war ein schönes Jahr«, sprach Grant weiter. »Eines der besten, das wir je hatten. Sie nahm ihre Medikamente und versuchte zu essen. Immer wenn ich unter ihrem zerbrochenen Fenster vorbeiging, rief sie mir zu, dass sie mich liebte. Ich schaue immer noch manchmal nach oben, wenn ich vor dem Haus bin, und rechne damit, sie zu sehen.«
Catherine hatte Grant niemals, nicht einmal während ihrer Krankheit, verlassen. Ohne Unterstützung und allein hatte sie geschafft, was weder mir noch Grant gelungen war: ein Kind zu behalten und großzuziehen. Plötzlich wurde ich von gewaltiger Hochachtung für sie ergriffen. Ich blickte Grant an, um festzustellen, ob er ebenso empfand. Seine Augen, glasig und voller Tränen, waren auf die Zeichnungen seiner Mutter gerichtet.
»Sie hat dich geliebt«, stellte ich fest.
Seine Zunge rollte sich aus seinem Mund und presste sich an seine Oberlippe. »Ich weiß.«
Sein Tonfall klang leicht erstaunt. Ich konnte nicht sagen, ob ihn die Liebe seiner Mutter oder die plötzliche Erkenntnis überraschte, wie tief ihre Gefühle für ihn gewesen waren. Sie war bei weitem keine perfekte Mutter gewesen. Doch Grant war inzwischen erwachsen, stark und liebevoll und betrieb erfolgreich eine Gärtnerei. Manchmal war er sogar glücklich. Niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie ihn nicht gut oder zumindest gut genug erzogen hatte. Ich wurde von einer Welle der Dankbarkeit für eine Frau ergriffen, die ich nie kennenlernen würde. Die Frau, die dem Mann, den ich liebte, das Leben geschenkt hatte.
»Wie ist sie gestorben?«, fragte ich.
»Eines Tages ist sie nicht aus dem Bett aufgestanden. Als ich sie fand, atmete sie nicht mehr. Alkohol und die Medikamente, meinten die Ärzte. Sie wusste, dass sie nicht trinken durfte, hat aber häufig heimlich eine Flasche mit ins Bett genommen. Irgendwann war es dann zu viel.«
»Es tut mir leid.«
Das stimmte. Ich
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