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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Mutter, dreißig Zentimeter große Kohlezeichnungen, waren mit dicken weißen Passepartouts versehen und in rosafarbenen Rahmen aufgehängt worden. Die Rahmen passten zu den rosafarbenen Möbeln: eine Wiege, ein Schaukelstuhl, ein Nachttisch und ein Bücherregal, alles mit weißen Gänseblümchen bemalt.
    »Das Haus sieht gut aus«, sagte ich. »Du hast viel getan in einem Jahr.«
    Grant schüttelte den Kopf. »In eineinhalb Jahren«, sagte er. »Ich fing damit an, nachdem ich dir das Atelier meiner Mutter gezeigt hatte. An den Nachmittagen, an denen du lange gearbeitet hast, bin ich nach Hause gehetzt, um Tapeten runterzureißen und den Boden abzuschleifen. Es sollte eine Überraschung sein. Ich hoffte, wir würden eines Tages hier zusammenleben.«
    Ich war gegangen, ohne mich zu verabschieden, ohne ihm zu sagen, dass ich schwanger war. Und die ganze Zeit über hatte er mir ein Zuhause gebaut, ohne zu wissen, ob ich jemals zurückkehren würde.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. In der Stille, die folgte, dachte ich an die Zeit der Schwangerschaft, als ich zum zweiten Mal im McKinley Square schlief, krank, schmutzig und verloren. Die Erinnerung erfüllte mich mit Unbehagen. Ich stand so unter Schock, dass ich keine Angst mehr spürte, jeder Sinn für Selbstschutz war verschwunden.
    »Es tut mir auch leid«, sagte Grant.
    Ich löste mich von ihm und sah ihm in die Augen. Sein Blick sprach von unserer Tochter, von ihrem leeren Zimmer, in dem wir uns befanden.
    »Du hast sie weggegeben?«, fragte ich. Das war kein Vorwurf, und endlich entsprach mein Tonfall dem, was ich ausdrücken wollte. Ich war neugierig, ohne Schuldzuweisungen und Grenzen.
    Grant nickte. »Ich wollte es nicht. Ich habe sie vom ersten Augenblick an geliebt. Ich habe sie so sehr geliebt, dass ich einen ganzen Monat lang vergessen habe, zu essen, zu schlafen und mich um meine Blumen zu kümmern.« Also war es bei Grant dasselbe gewesen, dachte ich: zu überwältigend.
    Grant drehte sich zu mir um. Sein kräftiger Körper war zwischen der Wand und mir eingezwängt. Er sprach weiter in meinen Scheitel hinein. »Ich wollte unbedingt, dass sie glücklich wird«, antwortete er. »Aber ich habe ständig Fehler gemacht. Ich habe ihr zu viel zu essen gegeben, ihre Windeln zu spät gewechselt oder sie zu lange in der Sonne liegen gelassen, während ich arbeitete. Sie hat zwar nie geschrien, doch das schlechte Gewissen hat mich wach gehalten. Ich hatte das Gefühl, sie und damit auch dich zu enttäuschen. Ich konnte nicht der Vater sein, der ich sein wollte, nicht allein, ohne dich. Und selbst als ich ihr ihren Namen gab, habe ich befürchtet, dass du nicht zurückkommen würdest.«
    Grant hob seine schwere Hand und fuhr mir damit durchs Haar. Als er die Wange an meine Kopfhaut presste, kitzelten mich seine Bartstoppeln. »Ich habe sie zu Elizabeth gebracht«, sagte er. »Eine andere Lösung ist mir nicht eingefallen. Als ich mit dem Baby im Körbchen auf ihrer Veranda erschien, hat sie geweint und uns in die Küche geholt. Ich bin zwei Wochen bei ihr geblieben, und als ich ging, habe ich das Baby nicht mitgenommen. In Elizabeths Armen hat Hazel das erste Mal gelächelt. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, die beiden voneinander zu trennen.«
    Grant schlang die Arme um mich und lehnte sein Gesicht an mein Ohr. »Vielleicht war es nur eine Ausrede«, flüsterte er, »aber ich habe es nicht geschafft.«
    Ich schob meinen Arm unter seine breite Brust. Als er mich an sich drückte, erwiderte ich die Geste.
    »Ich weiß«, antwortete ich. Ich hatte es auch nicht geschafft, und er wusste es, ohne dass ich es aussprechen musste. Wir hielten einander fest wie Ertrinkende. Keiner von uns suchte nach dem Ufer, und wir verharrten eine lange Zeit in dieser Stellung, ohne zu sprechen und kaum atmend.
    »Hast du mit Elizabeth über mich gesprochen?«, erkundigte ich mich.
    Grant nickte. »Sie wollte alles hören. Sie glaubte, ich müsste ihr jeden Moment jedes Tages in deinem Leben seit eurer letzten Begegnung bei Gericht schildern können, und wurde ärgerlich, als ich dazu nicht in der Lage war.« Grant berichtete, wie er an Elizabeths Tisch gesessen hatte. Im Backrohr schmurgelte ein Braten, Hazel schlief in seinen Armen.
Warum hast du nicht gefragt?,
meinte sie, wenn Grant nicht wusste, wie ich meinen 16. Geburtstag verbracht hatte, ob ich in der Highschool gewesen war oder was ich am liebsten zum Frühstück aß. »Sie hat gelacht, als ich ihr gesagt habe, dass du

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