Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
mutmaßte Santiago. »Sie tun alles, was er ihnen befiehlt.«
»Das würde mich wundern«, widersprach Jana. »Die Rothauben sind Dumpfbacken. Sie würden die Mädchen wahllos von der Straße holen und jede Menge Spuren hinterlassen. Es werden aber nur Frauen aus der Provinz getötet, nach denen lange Zeit niemand sucht und die auch nicht sofort identifiziert werden können.«
»Also gibt es jemanden, der die Mädchen ganz gezielt auswählt«, schlussfolgerte Santiago und warf Jana einen anerkennenden Blick zu. »Haben Sie irgendwelche Vermutungen, wer dieser Jemand sein könnte?«
»Die Eulins«, antwortete Jana, ohne lange zu überlegen. »Frauen passen in ihr Geschäftsprofil.«
Santiago dachte einige Augenblicke über ihre Worte nach, dann grinste er und fragte: »Kennen Sie Wambo?«
Der kontroverse Meinungsaustausch mit einem gereizten Nawen war ein zweifelhaftes Vergnügen. Wenn sich zum ohnehin streitbaren Charakter der Angehörigen des Dunklen Hofs noch eine Prise Verärgerung oder gar Zorn hinzugesellten, mutierten sie zu äußerst unangenehmen Gesprächspartnern, und es war ratsam, ihnen in solchen Momenten aus dem Weg zu gehen. Dies gelang indes nur bedingt, denn die Nawen waren hartnäckig, wenn es darum ging, sich Gehör zu verschaffen.
»Hand aufs Herz, Wambo.« Diesmal ließ Santiago den Geschäftsführer nicht in der Luft zappeln, sondern stellte den verschreckten Dickwanst auf den Tisch und marschierte langsam vor ihm auf und ab. »Wie viel bezahlt Ihnen Lubomir?«
»Wofür?«, fragte der Eulin und bemühte sich, möglichst entrüstet zu schauen. »Was habe ich denn für ihn getan?« Verständlicherweise verspürte er keine Neigung, seine Verbindung zu dem Zauberer zuzugeben.
»Reden Sie schon, Wambo«, beharrte der Naw. »Ich habe keine Beweise, dass Sie für Lubomir arbeiten.«
»Warum glauben Sie dann, dass …«
»Ich glaube gar nichts, Wambo. Ich zähle nur zwei und zwei zusammen. Außerdem habe ich wenig Zeit und verdammt schlechte Laune. Sie können sich sicher denken, worauf ich hinauswill, nicht wahr?«
»Nein«, quiekte der Dickwanst.
»Mit Ihrem unüberlegten Verhalten haben sie die gesamte Verborgene Stadt in Gefahr gebracht. Die Polizei kann Lubomir, und damit auch uns, jederzeit auf die Spur kommen. Wenn Sie sich also weiterhin dumm stellen, werde ich Sie töten.«
»Wir stehen unter dem Schutz des Grünen Hofs«, stammelte der Eulin. »Sie können mich nicht einfach so umbringen.«
»Glauben Sie mir, es würde mir nicht schwerfallen, diesen kleinen Vorfall unter den Tisch zu kehren.«
Ein Blick in die schwarzen, harten Augen des Kommissars verriet Wambo, dass jener es ernst meinte. Es sah keinen anderen Ausweg und gab seinen Widerstand auf.
»Lubomir bezahlt gut. Er bestellt die Mädchen für irgendwelche Experimente. Aber es sind Humofrauen. Unsereins rühre ich nicht an, das schwöre ich, Santiago !«
»Du verdienst dir also mit Menschenhandel was dazu? «, schaltete sich Jana ein. »Weißt du wenigstens, was er mit ihnen macht, du Mistkerl?«
»Was geht mich das an? Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, wie man so schön sagt …«
»Wo bringt ihr die Mädchen hin?«, fragte Santiago barsch.
»Ich sorge dafür, dass stets einige Mädchen auf Lager sind. Pulle ruft dann irgendwann an und holt sie ab.«
»Wo hast du die Mädchen her?«, bohrte Jana weiter, deren blaue Augen sich zu messerscharfen Schlitzen verengten. »Du wirst wohl kaum deine Huren an ihn verhökern.«
Wambo sah die Söldnerin gehässig an und seufzte.
»Kluges Mädchen.«
»Antworten Sie, Wambo«, drängte der Kommissar.
»Ein Humo besorgt sie mir, ein dilettantischer Fotograf. Glauben Sie mir, Santiago, ich wusste zu Anfang wirklich nicht, wofür Lubomir sie braucht. Später bin ich selbst darüber erschrocken.«
»Schöpft der Fotograf keinen Verdacht?«
»Dem ist das egal, solange der Rubel rollt.«
»Und wenn ihn die Polizei in die Mangel nimmt?«
»Na und?« Wambo zog die Schultern hoch. »Ich habe dem Typen nie die Hand gegeben und immer nur am Telefon mit ihm gesprochen. Selbst wenn sie ihn folterten,
würden sie nichts aus ihm herausbekommen, er weiß nichts.«
»Klug eingefädelt«, lobte der Kommissar. »Wann kommt Pulle das nächste Mal?«
»Noch heute. Lubomir hat diesmal sogar selbst angerufen. «
»Das letzte Opfer wurde gestern gefunden«, sagte Jana. »Er braucht wohl schon wieder Nachschub.«
»Was sind das für Mädchen, die du für ihn bereithältst?
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