Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
stellen und erst dann zu entscheiden. Damit hat mir der Kommissar praktisch das Leben gerettet. Das Amulett liegt in meinem Mustang, Bote, aber du hast keine Chance, es zu bekommen.«
In diesem Augenblick erschien über dem Tisch ein kleiner schwarzer Fleck. Dem Zauberer klappte der Mund auf. Der schwarze Fleck schwoll rasch an und nach wenigen Sekunden rotierte mitten im Raum ein Wirbel, der wie eine gigantische Spindel aussah.
»Das Portal!«, rief die Fee. »Endlich!!!«
Dem rotierenden schwarzen Loch entstieg ein groß gewachsener Mann in einem eleganten, hellen Anzug.
»Santiago?«, stammelte der Zauberer, der seinen Augen nicht traute.
»Guten Tag, Bote«, grüßte der Ankömmling mit einem gewinnenden Lächeln. »Wollen wir ein wenig plaudern ?«
Lubomir nahm einen kleinen, hölzernen Stab vom Tisch, vollführte eine Kreisbewegung damit und rief: »Klausur!«
Dicker, grüner Nebel umhüllte die Spindel und bremste ihre rasende Rotation. Es ertönte ein Knall, jemand
schrie, irgendetwas stürzte mit Getöse herab und das ganze Gebäude erzitterte. Das Portal verschwand, und an der Stelle, wo es soeben noch gewesen war, fiel das abgebrochene Kopfteil einer Streitaxt krachend auf den Boden.
»Jetzt können wir plaudern, Naw«, sagte der Zauberer. »Nun wird uns niemand stören.«
»Sehr gut.« Santiago lächelte ungerührt. »Der Dunkle Hof ist ungehalten über Ihre derzeitigen Umtriebe, Bote, und hat mich deshalb geschickt, um das Problem aus der Welt zu schaffen.«
»Die wird es wegblasen wie ein Blatt Papier«, versprach Rick Bombarde, während er den Plastiksprengstoff an der schweren Eisentür anbrachte. »Wir müssen uns nur weit genug in Sicherheit bringen, bevor es kracht.«
Aufgrund des Verlusts ihres Amuletts mussten die Tschuden magische Energie sparen, und so hatten sie sich entschlossen, die Tür mit der primitiven, aber wirksamen Humo-Methode aufzusprengen.
De Geer gab ein Handzeichen, und die Ritter zogen sich auf den Treppenabsatz einen Stock tiefer zurück.
»Was geht hier überhaupt vor?«, hörte man plötzlich Juschlakow winseln. »Wozu bin ich hier?«
Als der Fotograf zu sich kam und feststellte, dass er von merkwürdig gekleideten Menschen umgeben war, erfasste ihn eine schleichende Panik. Während man ihn mit schmerzhaften Fußtritten die Treppe hinaufjagte, hatte er noch geschwiegen, jetzt, da er ein wenig zu Atem gekommen war, wollte er dann doch genauer wissen,
was ihm gerade widerfuhr. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
»Maul halten, du Trottel!«, schnauzte ihn Cortes an.
Der Fotograf wagte keine Widerrede. Vor dem kräftig gebauten Söldner hatte er Angst.
»Sind alle bereit?«, erkundigte sich Bombarde und sah sich noch einmal um. »Achtung …«
Das Gebäude wurde von einer ohrenbetäubenden Detonation erschüttert, die Tür flog aus der Verankerung und aus der Wachstube gellten die Schreie der erschrockenen Rothauben.
»Vorwärts!«, brüllte de Geer, stürmte los und blieb allerdings schon nach wenigen Schritten irritiert stehen.
Der Knall der Detonation ging nahtlos in ein bedrohliches Grollen über, so als ginge aus der oberen Etage eine Lawine los. Der Kapitän verharrte und lauschte.
»Was ist los?«, flüsterte Bombarde.
Von oben rieselte in dünnem Strahl Sand herab, dann fielen die ersten Steinchen und das Grollen schwoll bedrohlich an.
»Nichts wie weg!«, kommandierte Cortes, packte den Fotografen am Schlafittchen und stürmte die Treppe hinab.
Wenige Augenblicke später ging auf den Treppenabsatz, wo die Tschuden eben noch gestanden hatten, eine Lawine aus Schotter und Sand nieder. Der Weg nach oben wurde vollständig verschüttet.
Metscheslaw bemühte sich, dicht hinter Santiago zu bleiben. Er hatte noch nie das Vergnügen gehabt, ein
Naw’sches Portal zu benutzen, und deshalb fühlte er sich ein wenig befangen. Doch alles fügte sich ganz einfach. Kaum hatte er den dunklen Schlund des Wirbels betreten, erfasste ihn eine unsichtbare Kraft und trug ihn vorwärts. Der Baron empfand ein ungeahntes Gefühl der Leichtigkeit und seine anfängliche Verkrampfung löste sich.
»Wir werden es ihm zeigen!«, rief er dem vorauseilenden Kommissar hinterher. »Tod dem Boten!«
»Guten Tag, Bote«, sagte der Naw. »Wollen wir ein wenig plaudern?«
Im ersten Moment blieb Metscheslaw verdutzt stehen, doch dann wurde ihm klar, dass Santiago das Portal wohl schon verlassen hatte. Er folgte ihm mit vorgestreckter Streitaxt, um sofort in den
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