Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
mag sein. Aber diejenigen, die du für deine
Freunde hältst, sind mindestens genauso schlimme Lügner und Mörder. Sie wollten mich umbringen, seit ich geboren wurde. Ich bin der Bote. Eigentlich stünde mir die Krone des Grünen Hofs zu. Stattdessen muss ich mich mit den Rothauben abplagen und gegen sämtliche Herrscherhäuser kämpfen. Doch damit ist es nun bald vorbei.« Der Zauberer tigerte in seinem Kabinett auf und ab. »Ich werde den Dunklen Hof unterwerfen, die Macht in der Verborgenen Stadt an mich reißen und dann den gesamten Planeten erobern. Niemand kann mich aufhalten und diejenigen, die auf meiner Seite stehen, werden reichen Lohn ernten. Möchtest du nicht Statthalter der Westlichen Hemisphäre werden?«
»Und du würdest Imperator sein?«
»Spielt das eine Rolle? Titel interessieren mich nicht. Entscheidend ist, dass die Macht in meinen Händen liegt.«
»Was ist mit den Regierungen, Armeen und Atombomben der Menschen?«
»Das ist eine Kleinigkeit, glaub mir«, seufzte der Zauberer. »Die Menschen sind keine Gegner für mich. Mein einziger ernstzunehmender Widersacher ist der Dunkle Hof.«
»Ein sehr starker Widersacher.«
»Mach dir keine falschen Hoffnungen. Die Nawen werden dir nicht helfen. Sie wissen nicht einmal, wo wir sind.«
»Man sollte den Dunklen Hof nicht unterschätzen.«
»Da hast du allerdings Recht«, pflichtete Lubomir bei. »Doch selbst wenn sie uns finden sollten, dürfte es ihnen
wohl kaum gelingen, hierher vorzudringen. Wir befinden uns in der letzten Etage, über das Dach können sie nicht eindringen und unter uns sitzen bis an die Zähne bewaffnete Wachen, die auf Besuch aller Art gut vorbereitet sind.«
»Sprichst du etwa von den Rothauben?«
Der Zauberer war so gefangen in seinem Siegeswahn, dass er Artjom überhaupt nicht mehr zuhörte. Seine grünen Augen leuchteten, und er plusterte sich auf wie ein Gockel.
»Wir sind hier absolut sicher! Mein Sieg steht unmittelbar bevor. Du solltest jetzt keinen Fehler machen.«
Artjoms Lage war prekär. Selbst wenn seine Freunde ihm zu Hilfe eilten, würde er sie wohl bestenfalls am Galgen baumelnd oder säuberlich seziert begrüßen können. Andererseits hatte ihm der Bote ein konkretes Angebot unterbreitet …
»Also Statthalter der Westlichen Hemisphäre?«
»Du würdest weitgehende Autonomie genießen und könntest schalten und walten, wie du willst! Jedes deiner Worte wäre Gesetz, jede Geste ein Befehl. Tausende von Untertanen wären bereit, für dich zu sterben.« Der Zauberer breitete die Arme aus und sog geräuschvoll die Luft ein. »Dir steht eine glänzende Zukunft bevor!«
Artjom sah sich bereits mit der Krone eines Vizekönigs auf dem Haupt in einem kleinen, aber äußerst komfortablen Palast sitzen, umringt von hinreißenden weiblichen Untertanen.
»Klingt verlockend«, gab er zu.
»Du solltest dich glücklich schätzen«, sagte der Zauberer
und klopfte ihm auf die Schulter. »So eine Chance bekommst du nie wieder.«
Moskau, Bolschaja-Moltschanowka-Straße
Mittwoch, 28. Juli, 11:18 Uhr
»Blickst du hier noch durch?«, erkundigte sich Schustow im Flüsterton bei Kornilow. »Was haben denn die alten Schachteln damit zu tun?«
Der Land Cruiser, in dem man Juschlakow entführt hatte, war eine Weile durch die Stadt gekurvt und dann in eine unscheinbare Seitenstraße eingebogen, in der ein baufälliges Hochhaus in den Himmel ragte. Im Schatten des Betonklotzes standen etwa fünfzehn ältere Damen um mehrere Nobelkarossen herum und unterhielten sich ausgesprochen angeregt. Mit ihren bunten Kopftüchern und Kattunkleidern sahen sie aus wie typische Marktweiber. Ausgerechnet zu ihnen gesellte sich nun der breitschultrige Hüne, der aus dem Jeep ausgestiegen war und sich aus unerfindlichen Gründen ein dunkles Monokel ins Auge geklemmt hatte. Juschlakow lag immer noch im Auto und gab kein Lebenszeichen von sich. Die Polizisten verfolgten das Geschehen aus ihrem Dienstwolga, den sie in etwa hundert Metern Entfernung geparkt hatten.
»Vielleicht hat er den Fotografen ermordet?«, mutmaßte Waskin.
»Der Typ würde wohl kaum mit einer Leiche auf dem
Rücksitz in Moskau spazieren fahren«, entgegnete Kornilow knurrig. »Er sieht ziemlich gefährlich aus, aber nicht wie ein Vollidiot.«
Die folgenden Ereignisse bestätigten die Einschätzung des Majors. Die Marktweiber schienen einen Entschluss gefasst zu haben und gingen auseinander. Der Kleiderschrank zerrte den Fotografen aus dem Auto,
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