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Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung

Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung

Titel: Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Panov
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Nacht lag es auf der Hand, die Verdächtigen als besonders gefährlich einzustufen, deshalb waren die Polizisten mit kurzen Maschinenpistolen bewaffnet und hatten den inoffiziellen Befehl, das Feuer als Erste zu eröffnen. So etwas hatte es in der Hauptstadt seit 1993 nicht mehr gegeben.
    Als die Beamten den Dienst antraten, waren sie sich durchaus im Klaren darüber, dass ihnen keine Spazierfahrt bevorstand, und sie bemühten sich um maximale Konzentration. Doch die alltägliche Routine und vor allem die unerträgliche Hitze, die in schwülen Wellen über den kochenden Asphalt waberte, dämpften ihre Wachsamkeit.

    »Welcher Idiot zieht sich denn bei so einer Bullenhitze schwarze Lederklamotten an«, nörgelte der Fahrer und zog seine schwere, kugelsichere Weste zurecht.
    »Immer noch besser, als wenn wir nach Leuten in kurzen Hosen fahnden müssten«, entgegnete der Leutnant auf dem Beifahrersitz. »Dann hätten wir wirklich ein Problem.«
    Die beiden Beamten auf dem Rücksitz schmunzelten über den Scherz.
    »Stimmt es, dass die Stadt mit der Föderationsregierung darüber verhandelt, uns ein Bataillon Fallschirmjäger als Verstärkung zu schicken?«, erkundigte sich einer der beiden bei seinem Chef.
    »Quatsch, mit unseren Verbrechern werden wir schon selber fertig.«
    »Hummel sechs, Hummel sechs, bitte kommen!«, krächzte der Funk.
    »Hier Hummel sechs«, sprach der Leutnant ins Mikrofon. »Bei uns ist alles ruhig.«
    »An der Kreuzung Presnenski Wal und Chodynskaja-Straße hat sich ein schwerer Unfall ereignet. Fahrt sofort hin und schaut nach, was da los ist.«
    »Was haben wir denn damit zu tun?«, empörte sich der Leutnant. »Soll sich doch die Verkehrspolizei drum kümmern.«
    »Das sowieso«, versicherte der Funk. »Fahrt trotzdem hin. Ende.«
    Der Funk verstummte.
    »Die haben doch alle eine Schraube locker«, schimpfte der Leutnant. »Bloß wegen der Schießerei am Lenin-Prospekt
werden wir jetzt wegen jedes banalen Verkehrsunfalls angefunkt. – Dreh um.«
     
    Kaum war der Polizeijeep um die Ecke gebogen, hielten vor der schwarzen Verkaufsbude, die sich an der Kreuzung der Krasnaja-Presnja-Straße mit dem Presnenski Wall befand, drei bordeauxrote Limousinen der Marke Volvo. Aus der ersten stieg ein kleiner, rothaariger Mann aus. Er trug beige Slacks und ein schwarzes Ledersakko, das seinen Rittergürtel verbarg.
    »Guten Tag, Mechrab«, grüßte der Mann den alten Schuster, der sich gerade über ein Werkstück beugte. »Ich muss mit dir reden.«
    Der Greis reagierte nicht. Aus dem Gebüsch seines Barts zog er einen Nagel hervor und begann zu hämmern. Der Rothaarige seufzte und rüttelte den Alten an der Schulter.
    »Mechrab, ich habe nicht viel Zeit.«
    Als er seinen Besucher bemerkte, hob der Schuster den Kopf und lächelte.
    »Ah, Nelson … Lange nicht gesehen, eine Ewigkeit. Setz dich, wenn du schon einmal da bist.«
    Nelson Bard, der Magister der Schwerterloge, nahm auf dem angebotenen Hocker neben dem Schuster Platz.
    »Ich wollte …«
    »Hast du heute schon gelacht?«, unterbrach ihn der Greis. »Stell dir vor, gestern hat irgendein Humo im Magenbalsam eine Polpa Nawese verspeist. Sie hatten ihm aus Versehen das Originalgericht vorgesetzt. Haha!«
    Nelson stutzte.

    »Hat er überlebt?«
    »Angeblich ja.«
    »Dann hat er einen guten Magen.«
    »Diese Humos halten mehr aus, als man denkt«, konstatierte der Schuster nickend und beugte sich wieder über seine Arbeit.
    »Hör mal, Mechrab. Wir suchen …«
    Doch des Magisters Worte gingen im Klopfen des Hammers unter. Der Schuster hatte bereits den nächsten Nagel angesetzt.
    Nelson wurde weiß im Gesicht und war nicht mehr weit davon entfernt, Mechrabs Bude in ihre Einzelteile zu zerlegen. Doch er biss die Zähne zusammen und hielt sich zurück. Der Greis war ein angesehener Schatyr und gehörte zum Ältestenrat der Familie Turtschi. Es wäre unüberlegt gewesen, einen Streit mit ihm anzufangen. Wie alle Angehörigen des Dunklen Hofs hatten die Schatyren einen zwielichtigen Charakter, damit musste man sich abfinden.
    »Darf ich dich kurz stören?«, fragte Nelson nach kurzem Schweigen.
    »Ich habe viel zu tun«, brummte Mechrab mit einem Seitenblick auf das mit großen Schnallen verzierte Schuhwerk des Magisters. »Irgendwie muss ich ja meine Familie ernähren.«
    »Wir suchen die Rothauben.«
    »Da wäre ich jetzt nicht draufgekommen.«
    »Hast du sie gesehen in letzter Zeit?« Der Tschud hielt es für besser, den giftigen Ton des Schusters

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