Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
zu ignorieren.
»Welchen von ihnen denn?«
»Egal welchen.«
»Hier laufen so viele Leute vorbei«, erklärte Mechrab und warf einen prüfenden Blick auf sein Werkstück. »Man kann ja nicht auf alle achten.«
Nelson öffnete seine Brieftasche.
»Ein Hunderter?«
»Die Rothauben sind so klein«, jammerte der Greis. »Man braucht gute Augen, um sie zu sehen. Und weißt du, wie viel die Erli für ein Paar neue Augen verlangen? Wucherpreise! Das sind keine Mönche, sondern Raubritter. «
»Dass du dich nicht schämst, so über die Erli herzuziehen«, sagte der Tschud, nahm zwei Hunderter aus seiner Brieftasche und streckte sie dem Schuster hin.
»Leg noch einen Hunderter drauf, dann hörst du nie wieder ein schlechtes Wort von mir über sie.«
Nelson seufzte und steckte eilig seine Brieftasche weg. Mechrab hielt die Scheine misstrauisch gegen das Licht, faltete sie sorgfältig zusammen und ließ sie in seiner Schürze verschwinden.
»Es ist wirklich ein Vergnügen, mit großzügigen Herrschaften zu verhandeln«, bekannte der Greis. »Im Dunklen Hof muss man solche Leute mit der Lupe suchen.« Er griff wieder nach seinem Hammer. »Und das Leder ist auch nicht mehr das, was es einmal war.«
»Was ist nun mit den Rothauben?«, fragte Nelson unwirsch, denn der Alte schien völlig das Interesse an ihm verloren zu haben, nachdem er das Geld eingesteckt hatte.
»Ach ja, richtig … Dort drüben sind sie. Sie haben sich gerade was zu Futtern besorgt.«
Nelson Bard drehte sich um. Vom McDonald’s , das sich auf der anderen Straßenseite befand, kamen gerade vier mit Tüten beladene Zwerge die Treppe herab.
Kaum hatten die Rothauben den Bürgersteig erreicht, begann die Schießerei.
Aus drei gegenüber geparkten Volvos sprangen einige Männer heraus und eröffneten mit Maschinenpistolen das Feuer auf die Zwerge. Dabei scherten sie sich weder um Fußgänger noch um den Verkehr auf der Straße. In Panik stürzten die Passanten in alle Richtungen davon und etliche Autos fuhren mit quietschenden Reifen ineinander. Artjom warf schon nach den ersten Schüssen seinen Restauranttisch um, ging dahinter in Deckung und presste den Rucksack an seine Brust.
Die Rothauben, denen nicht nur Kugeln, sondern auch zerfetzte Hamburger und Chicken McNuggets um die Ohren flogen, versuchten sich irgendwie zu wehren. Aus dem Yukon, der am Straßenrand auf sie wartete, wurden einzelne Schüsse abgefeuert. Doch die Angreifer stürmten bereits über die Straße und antworteten mit so verheerenden Salven, dass die linke Seite des Jeeps innerhalb von Sekunden mit Kugeln durchsiebt war und die im Innenraum verbliebenen Rothauben kein Lebenszeichen mehr von sich gaben. Drei der Zwerge, die aus dem Restaurant gekommen waren, krümmten sich auf dem Gehweg, der vierte rannte in Richtung Planet Hollywood davon. Doch er kam nicht weit. Ein Rothaariger
holte ihn ein und schoss ihm mit seiner Pistole in den Hinterkopf.
Die ganze Schießerei dauerte kaum länger als eine halbe Minute. Nachdem sie ihre Opfer erledigt hatten, stiegen die Angreifer in ihre Volvos und rasten mit Vollgas davon.
Artjom kroch hinter seinem Tisch hervor und begab sich über einen Umweg durch den Park zur Metro-Station.
KAPITEL ZEHN
Moskau, Autobahnring
Dienstag, 27. Juli, 13:16 Uhr
»Na, Student, was hast du herausgefunden?«, fragte Kornilow, als der Wolga auf den Autobahnring einbog.
Seit sie im Präsidium losgefahren waren, hatte der Major abwesend aus dem Fenster geschaut und den ungeduldigen Waskin auf dem Beifahrersitz ignoriert, nun erkundigte er sich endlich nach seinen Ermittlungsergebnissen. Der Leutnant drehte sich geschäftig zur Rückbank um und zog sein Notizbuch aus der Jeansjacke hervor.
»Bemerkenswerte Fakten, Patron, wirklich sehr interessant. Das Gebäude, in dem die Tschud Incorporated residiert, gehörte früher dem Staatlichen Forschungsinstitut Lichte Zukunft .«
»Hat es der KGB gebaut?«
»Der KGB oder die Armee, das ist nicht bekannt. Während der Ära der Perestroika verschwand das Forschungsinstitut, und das Haus wurde mehr oder weniger über Nacht privatisiert. Derzeit ist der Konzern Tschud Incorporated der rechtmäßige Eigentümer. Er betreibt Import, Export, Finanz – und Investitionsgeschäfte. Im Gebäude sind ausschließlich eigene Firmen untergebracht,
darunter auch das Bewachungsunternehmen Tschud-Panzerweste AG.« Waskin kicherte. »Die Lizenz ist in Ordnung, den Generaldirektor kennen Sie bereits: Franz
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