Die verborgene Wirklichkeit
Hintergrundstrahlung. Die Temperaturschwankungen sind auf der senkrechten Achse verzeichnet, der Abstand zwischen zwei Himmelsregionen (gemessen als Winkel zwischen den Blickrichtungen von der Erde zu den entsprechenden Orten am Himmel – links größere Winkel, rechts kleinere) auf der waagerechten Achse. 10 Der auf Grundlage der Inflationsmodelle vorhergesagte Kurvenverlauf ist als durchgezogene Linie eingezeichnet, die aus den Beobachtungen abgeleiteten Werte sind als Punkte eingetragen.
Die theoretischen Grundlagen der Inflation sind möglicherweise nur vorläufiger Natur: Immerhin ist das Inflaton ein hypothetisches Feld, dessen tatsächliche Existenz bisher nicht nachgewiesen wurde; der Verlauf seiner Potenzialkurve wurde nicht aufgrund von Beobachtungen ermittelt, sondern lediglich postuliert; irgendetwas muss dafür sorgen, dass sich das Inflaton zu Beginn in einer bestimmten Raumregion oben auf dem Plateau seiner Energiekurve befindet, und so weiter. Trotz alledem und selbst wenn manche Details der aktuellen Inflationsmodelle nicht ganz stimmen, haben die Übereinstimmungen zwischen Theorie und Beobachtung viele Fachleute überzeugt, dass der Inflationsgedanke eine tief greifende Wahrheit im Zusammenhang mit der Evolution des Kosmos enthält. Und da die Inflation in vielen der verschiedenen Modelle etwas Immerwährendes ist, das eine ständig wachsende Zahl von Blasenuniversen entstehen lässt, stellen Theorie und Beobachtung gemeinsam ein indirektes, aber überzeugendes Argument für diese zweite Version der Parallelwelten dar.
Erfahrungen mit dem inflationären Multiversum
Im Patchwork-Multiversum gibt es keine scharfe Trennlinie zwischen den einzelnen Paralleluniversen. Alle sind Teil einer einzigen räumlichen Weite, deren allgemeine qualitative Merkmale von Region zu Region ähnlich sind. Die Überraschung steckt in den Details. Die meisten Menschen würden nicht damit rechnen, dass Welten sich wiederholen; wir würden nicht damit rechnen, dass wir hier und da auf Versionen unserer selbst, unserer Freunde oder unserer Familien stoßen. Aber wenn wir weit genug reisen könnten, würde genau das geschehen.
Die Einzeluniversen, die das inflationäre Multiversum bilden, sind im Gegensatz dazu streng voneinander getrennt. Jedes ist ein Loch im kosmischen Käse, und von den anderen ist es durch Bereiche getrennt, in denen das Inflaton noch einen hohen Wert hat. Da solche Zwischenregionen ihrerseits inflationäre
Expansion durchmachen, werden die Blasenuniversen schnell auseinandergetrieben, und die Geschwindigkeit, mit der sie sich voneinander entfernen, ist proportional zum Ausmaß des expandierenden Raumes zwischen ihnen. Je weiter sie bereits voneinander entfernt sind, desto größer ist die Expansionsgeschwindigkeit; dies führt letztlich dazu, dass sich weit voneinander entfernte Blasen schneller als mit Lichtgeschwindigkeit voneinander entfernen. Selbst wenn Lebensdauer und Technologie nicht an Grenzen stießen, gäbe es keinen Weg, eine solche Entfernung zu überbrücken. Man kann nicht einmal ein Signal in eines der anderen Universen senden.
Immerhin können wir uns aber in unserer Fantasie eine Reise zu dem einen oder anderen derartigen Blasenuniversum ausmalen. Was würden wir auf einer solchen Expedition finden? Da alle Blasenuniversen durch den gleichen Prozess entstehen – dadurch, dass das Inflaton von seiner erhöhten Position hinuntergestoßen wird und so eine Region entsteht, die sich aus der inflationären Expansion ausklinkt –, gelten in all diesen Universen die gleichen physikalischen Gesetze. Aber genau wie sich das Verhalten eineiiger Zwillinge aufgrund von Umweltunterschieden tief greifend unterscheiden kann, so können identische physikalische Gesetze sich in unterschiedlichen Umfeldern auf ganz unterschiedliche Weise manifestieren.
Stellen wir uns beispielsweise vor, eines der anderen Blasenuniversen sähe ganz ähnlich aus wie unseres: Es ist mit Galaxien durchsetzt, die Sterne und Planeten enthalten, aber mit einem entscheidenden Unterschied. Durch das gesamte Universum zieht sich ein Magnetfeld, das tausend Mal stärker ist als das Feld in unseren am höchsten entwickelten Kernspintomographen, und es kann im Gegensatz zu jenem nicht durch einen Techniker abgeschaltet werden. Ein solches starkes Magnetfeld würde das Verhalten vieler Dinge beeinflussen. Gegenstände aus Eisen hätten nicht nur die unangenehme Angewohnheit, in Richtung des Feldes davonzufliegen, sondern
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