Die verborgene Wirklichkeit
Blase in einem gewaltigen Stück
kosmischen Käses –, spricht für die fantastische Ausdehnung, die der Kosmos insgesamt nach der Vorstellung der Inflationsmodelle hat. Das Gleiche gilt für andere Blasen. Jede wäre ebenso ein Universum – eine reale, riesengroße, dynamische Weite – wie unseres.
In manchen Inflationsmodellen ist die Inflation nicht immerwährend. Wenn kluge Theoretiker mit Details wie der Zahl der Inflatonfelder und der Form der Potenzialkurven herumspielen, können sie es so einrichten, dass das Inflaton zu gegebener Zeit überall von seinen erhöhten Plätzen hinuntergestoßen wird. Aber solche Vorschläge sind eher die Ausnahme als die Regel. Die Feld-Wald-und-Wiesen-Inflationsmodelle erzeugen eine ungeheure Zahl von Blasenuniversen, die in einer sich ewig ausdehnenden räumlichen Weite ausgehöhlt werden. Wenn die Inflationsmodelle also auf der richtigen Spur sind und wenn ihre physikalisch bedeutsame Verwirklichung immerwährend ist – worauf viele theoretische Untersuchungen schließen lassen –, ergibt sich als Konsequenz zwangsläufig die Existenz eines inflationären Multiversums.
Wechselnde Perspektiven
Als Vilenkin in den achtziger Jahren erkannte, dass die inflationäre Expansion und die daraus erwachsenden Paralleluniversen immerwährend sind, war er ganz aufgeregt und stattete Alan Guth am Massachusetts Institute of Technology einen Besuch ab, um ihm davon zu erzählen. Mitten in seinen Erklärungen fiel Guths Kopf nach vorn: Er war eingeschlafen. Das war nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen; Guth ist bekannt dafür, dass er während physikalischer Seminare einnickt – auch bei meinen Vorträgen fielen ihm einige Male die Augen zu –, aber wenn er dann plötzlich die Augen wieder öffnet, stellt er häufig besonders kenntnisreiche Fragen. Insgesamt waren die Physiker aber nicht begeisterter als Guth. Also ließ Vilenkin seine Gedanken in der Schublade verschwinden und wandte sich anderen Projekten zu.
Heute trifft die Idee der Inflation auf eine ganz andere Resonanz. Als Vilenkin zum ersten Mal über das inflationäre Multiversum nachdachte, sprachen nur spärliche Belege unmittelbar für die kosmische Inflation. Deshalb kamen Gedanken über die inflationäre Expansion und die daraus erwachsende riesige Ansammlung von Paralleluniversen auch den wenigen, die ihnen überhaupt Beachtung schenkten, wie wild aufeinandergetürmte Spekulationen vor. In den seither vergangenen Jahren jedoch sprachen immer mehr auf Beobachtungen gegründete Argumente für die Inflation. Eine wichtige Rolle spielte dabei die immer genauere
Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Die beobachtete Homogenität dieser Strahlung war zwar eines der wichtigsten Motive für die Entwicklung der Inflationsmodelle. Den beteiligten Physikern war aber schon frühzeitig klar, dass eine rasche Expansion nicht zu einer vollkommen gleichmäßigen Strahlung führen würde. Stattdessen, so argumentierten sie, sollten quantenmechanische Fluktuationen, die durch die inflationäre Ausdehnung vergrößert werden, sich zu winzigen Temperaturabweichungen überlagern wie kleine Wellen auf der ansonsten glatten Oberfläche eines Teiches. Dies erwies sich als spektakuläre, ungeheuer einflussreiche Erkenntnis, g und zwar aus folgendem Grund:
Die Unschärferelation führt dazu, dass der Wert des Inflatonfelds fluktuiert. Wenn die Inflationsmodelle zutreffen, kam die kurze Phase der inflationären Expansi8on in unserer kosmischen Nachbarschaft gerade deswegen zu einem Ende, weil eine hinreichend große Quantenfluktuation das Inflaton vor knapp 14 Milliarden Jahren irgendwo in unserer Nähe von seinem Hochsitz stieß. Das ist aber noch nicht alles. Während der Wert des Inflatons geradewegs seinen Abhang hinunterrollte, bis er die Inflation in unserem Blasenuniversum zum Abschluss brachte, wurde er von Quantenfluktuationen beeinflusst. Diese wiederum ließen den Wert des Inflatons hier ein wenig steigen und da ein wenig sinken wie die wellige Oberfläche eines Lakens, das wir über die Matratze breiten. Dies führte zu geringen Unterschieden der Energiemenge, die das Inflaton an verschiedenen Stellen des Raumes besaß. Solche Quantenfluktuationen sind normalerweise so winzig und spielen sich in einem derart kleinen Maßstab ab, dass sie für kosmologische Entfernungen ohne Bedeutung sind. Die inflationäre Expansion ist aber alles andere als normal.
Während der Inflationsphase und auch noch während des
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