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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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sich von der weithin anerkannten Inflationslehre unterscheidet. Im inflationären Kosmos hätte die extrem schnelle Expansion in der Frühzeit des Universums das Gewebe des Raumes so gründlich durcheinandergebracht, dass starke Gravitationswellen erzeugt wurden. Diese Wellen hätten winzige Spuren in der kosmischen Hintergrundstrahlung hinterlassen, die man heute mit hochempfindlichen Beobachtungsverfahren sucht. Eine Kollision von Branen dagegen erzeugt ein vorübergehendes Chaos, ohne dass es zu einer spektakulären, inflationären Expansion des Raumes kommt; Gravitationswellen, die dabei entstanden sind, wären mit ziemlicher Sicherheit so schwach gewesen, dass sie der Hintergrundstrahlung kein dauerhaftes Muster aufprägen konnten. Der Nachweis von Gravitationswellen, die im frühen Universum entstanden sind, wäre also ein stichhaltiges Argument gegen das zyklische Multiversum. Das Scheitern der Versuche, Belege für solche Gravitationswellen zu finden, würde hingegen zahlreiche Inflationsmodelle ernsthaft infrage stellen und das zyklische Weltbild umso attraktiver machen.
    Die Theorie des zyklischen Multiversums ist unter Physikern allgemein bekannt, wird aber fast ebenso allgemein mit großer Skepsis aufgenommen. Dies könnte sich durch Beobachtungen ändern. Sollte der Teilchenbeschleuniger LHC Hinweise auf Branwelten liefern und sollten die Spuren der Gravitationswellen
aus dem frühen Universum sich allen zukünftigen Nachweisversuchen entziehen, wird das zyklische Multiversum aller Wahrscheinlichkeit nach mehr Anhänger finden.
    Im Fluss
    Die mathematische Erkenntnis, dass die Stringtheorie nicht nur eine Theorie der Strings ist, sondern auch Branen beinhaltet, hatte auf die Stringtheorie-Forschung große Auswirkungen. Das Branwelt-Szenario mit den Multiversen, die daraus erwachsen, ist eines der neuen Forschungsgebiete, das unsere Sichtweise auf die Wirklichkeit tief greifend umgestalten könnte. Ohne die exakteren mathematischen Methoden, die man im Laufe der letzten 15 Jahre entwickelt hat, wären uns die meisten dieser Erkenntnisse noch immer nicht zugänglich. Dennoch ist das Hauptproblem, dessen Bearbeitung die Physiker mit den exakteren Methoden in Angriff nehmen wollten – die Notwendigkeit, aus den vielen in den theoretischen Analysen entdeckten Kandidaten eine bestimmte Form für die zusätzlichen Dimensionen herauszugreifen –, bis heute nicht gelöst. Bei Weitem nicht. Die neuen Methoden haben das Problem sogar nur umso schwieriger gemacht. Sie führten dazu, dass man eine Fülle neuer möglicher Formen für die zusätzlichen Dimensionen entdeckte, womit die Zahl der Kandidaten gewaltig anwuchs, ohne dass man auch nur den Hauch einer Ahnung davon gewonnen hätte, wie man eine davon als die unsere identifizieren soll.
    Entscheidend für diese Entwicklungen ist eine Eigenschaft der Branen, die als Fluss bezeichnet wird. Wie ein Elektron, das ein elektrisches Feld entstehen lässt – eine Art elektrischen »Nebel«, der sich durch seine Umgebung zieht –, und wie ein Magnet, der ein Magnetfeld erzeugt – einen magnetischen »Nebel« in seiner Region –, so erzeugt eine Bran ein Branfeld , einen Bran-»Nebel«, der ihre Umgebung ausfüllt ( Abbildung 5.5 ). Als Faraday Anfang des neunzehnten Jahrhunderts die ersten Experimente mit elektrischen und magnetischen Feldern machte, stellte er sich vor, er könnte ihre Stärke quantitativ erfassen, indem er die Dichte der Feldlinien in einer bestimmten Entfernung von der Quelle dokumentierte  – ein Maß, das er als Fluss bezeichnete. Seit jener Zeit ist das Wort im Lexikon der Physik verzeichnet. Die Stärke eines Branfeldes wird ebenfalls durch den von ihm erzeugten Fluss definiert.
    Stringtheoretiker wie Raphael Bousso, Polchinski, Steven Giddings, Shamit Kachru und viele andere erkannten, dass man für eine vollständige Beschreibung der zusätzlichen Dimensionen in der Stringtheorie nicht nur ihre Form und
Größe benennen muss – worauf die Vertreter des Fachgebiets einschließlich meiner selbst sich in den achtziger und frühen neunziger Jahren fast ausschließlich konzentriert hatten –, sondern dass es auch notwendig ist, den durch sie hindurchfließenden Branfluss zu definieren. Ich möchte mir einen Augenblick Zeit nehmen, um das genauer zu erläutern.
    Seit den ersten mathematischen Arbeiten, mit denen man die zusätzlichen Dimensionen der Stringtheorie untersucht hatte, wussten die Fachleute, dass Calabi-Yau-Räume in der

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