Die verborgene Wirklichkeit
Schüler in einer Dorfschule, in einem unbeweglichen Meer aus Dunkelheit schweben. Wir leben in einem privilegierten Zeitalter. Das Universum gibt uns die Erkenntnisse, die beschleunigte Expansion nimmt sie uns wieder.
Wie wir auf den nachfolgenden Seiten noch genauer erfahren werden, ist die Tatsache, dass zukünftigen Astronomen nur eine begrenzte Sicht der Dinge vergönnt ist, vor allem dann erstaunlich, wenn man sie mit der gewaltigen kosmischen Weite vergleicht, auf die unsere Generation mit ihren Versuchen, die beschleunigte Expansion zu verstehen, gestoßen ist.
Die kosmologische Konstante
Wenn wir sehen würden, wie die Geschwindigkeit eines in die Luft geworfenen Balles zunimmt , würden wir zu dem Schluss gelangen, dass irgendetwas ihn von der Erdoberfläche wegtreibt. Zu einer ähnlichen Annahme gelangten die Wissenschaftler auch im Zusammenhang mit den Supernovae: Die Beschleunigung der kosmischen Expansion setzt irgendetwas voraus, das nach außen treibt und der nach innen gerichteten Gravitationsanziehung entgegenwirkt. Wie wir mittlerweile zur Genüge erfahren haben, macht genau diese Aufgabenbeschreibung die kosmologische Konstante mit der von ihr verursachten abstoßenden Gravitation zu einer idealen Kandidatin. Durch die Beobachtungen an den Supernovae rückte die kosmologische Konstante wieder ins Rampenlicht, dieses Mal aber nicht wegen des »schlechten Richters« Überzeugung, den Einstein Jahrzehnte vorher in seinem Brief erwähnt hatte, sondern wegen der schieren Überzeugungskraft der Daten.
Die Daten versetzten die Wissenschaftler außerdem in die Lage, den Zahlenwert der kosmologischen Konstante – das heißt die Menge an Dunkler Energie, die den Raum erfüllt – dingfest zu machen. Das Ergebnis drückten sie in Form der zur Energie äquivalenten Masse aus, wie es unter Physikern üblich ist (wobei E = mc 2 hier in der weniger vertrauten Form m = E/c 2 verwendet wird). Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Beobachtungen an den Supernovae eine kosmologische Konstante von etwas weniger als 10 – 29 Gramm je Kubikzentimeter voraussetzen. 8 Der nach außen gerichtete Druck einer so kleinen kosmologischen Konstante wäre während der ersten sieben Milliarden Jahre gegenüber der nach innen gerichteten Anziehung der gewöhnlichen Materie und Energie im Hintertreffen gewesen, genau so, wie es den Beobachtungen entspricht. Durch die Expansion des Raumes wären aber die gewöhnliche Materie und Energie immer weiter verdünnt worden, so dass schließlich die kosmologische Konstante die Oberhand gewann. Erinnern wir uns: Die kosmologische Konstante wird nicht verdünnt; die von ihr gelieferte abstoßende Gravitation ist ein Merkmal des Raumes selbst – jeder Kubikmeter Raum trägt den
gleichen nach außen gerichteten Schub bei, der vom Wert der kosmologischen Konstante vorgegeben wird. Je mehr Raum sich also aufgrund der kosmischen Expansion zwischen zwei Objekten befindet, desto stärker ist auch der Einfluss, der sie auseinandertreibt. Nach ungefähr sieben Milliarden Jahren müsste demnach die abstoßende Gravitation der kosmologischen Konstante dafür sorgen, dass sich die Expansion des Raumes immer weiter beschleunigt, und zwar so, wie es die Daten in Abbildung 6.2 zeigen.
Hier sollte ich mich stärker an die Konventionen halten und den Wert der kosmologischen Konstante noch einmal in den Einheiten ausdrücken, die unter Physikern allgemein üblich sind. Es würde ja auch seltsam klingen, wenn ich beim Gemüsehändler nach 10 15 Pikogramm Kartoffeln fragen würde (stattdessen kaufe ich 1 Kilogramm, also die gleiche Menge, aber in sinnvolleren Einheiten ausgedrückt), und ebenso sage ich meiner wartenden Freundin nicht, ich würde in 10 9 Nanosekunden bei ihr sein (stattdessen spreche ich von einer Sekunde, dem gleichen Maß in sinnvolleren Einheiten); ähnlich seltsam hört es sich für einen Physiker an, wenn man die Energie der kosmologischen Konstante in Gramm pro Kubikzentimeter angibt. Aus Gründen, die ich in Kürze darlegen werde, liegt es näher, die kosmologische Konstante als Vielfaches der sogenannten Planck-Masse (ungefähr 10 – 5 Gramm) je Kubik-Planck-Länge (das Volumen eines Würfels mit einer Kantenlänge von ungefähr 10 – 35 Metern, also 10 – 33 Zentimetern, mit anderen Worten: 10 – 99 Kubikzentimeter) auszudrücken. In diesen Einheiten beträgt der gemessene Wert der kosmologischen Konstante ungefähr 10 – 123 . Das ist die winzige
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