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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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kann, dieser immense Groll, der immer weiter anschwoll, weil er sich nicht ausdrücken durfte. Alex fährt sich mit den Händen durchs Haar.
    »Es tut mir leid«, sagt er mit leiser Stimme. »Aber ich konnte nicht … Carol Ann, ich kann es nicht erklären, ich finde die Worte nicht, die dich dazu bringen könnten, mich zu verstehen … außer dass ich Josie liebte und dass es so schwer für mich ist, damit zu leben … mit … damit, was geschehen ist … es frisst mich innerlich auf. Es frisst mich auf. Ich werde es nicht mehr los. Aber ich habe Josie geliebt. Ich habe sie so sehr geliebt.«
    Er sieht so gequält aus, dass ich dieses Mal nicht anders kann, als zu ihm hinzugehen, zu seinem Sessel. Einen kurzen Moment neigt sich die Wippe von Liebe und Hass auf die Seite der Liebe. Ich lege unbeholfen die Hand auf seinen Rücken.
    »Ich weiß, dass du Josie geliebt hast, Alex«, sage ich leise. »Tief im Inneren weiß ich das.«
    Als er hört, dass ich ihm Glauben schenke, verliert er die Fassung. Er schlägt die Hände vors Gesicht und fängt an zu schluchzen, so sehr, dass es ihn schüttelt. Ich halte ihn im Arm, bis er sich wieder beruhigt.
    »Merkst du, dass es das erste Mal ist, dass wir wirklich darüber reden, was damals mit Josie passiert ist? Jetzt erst, nach all diesen Jahren.«
    Er nickt, nimmt das Papiertaschentuch, das ich ihm gebe.
    »Wie konnten wir nur.«
    »Ja, wie konnten wir nur.«
    »Es tut mir leid«, sage ich leise.
    »Was tut dir leid?«
    »Das, was ich gesagt habe … die Worte, die ich zu dir gesagt habe … nachher, nachdem Josie gestorben war. Ich war zornig auf dich. Ich bin immer noch zornig, aber … das, was ich gesagt habe, habe ich nicht so gemeint. Ich war … so völlig außer mir.«
    Er nimmt meine Hand, schaut mich jedoch nicht an.
    »Komm nach Hause, Carol Ann.«
    »Ich weiß nicht.« Ich bin verwirrt. Ich bin nicht mehr sicher, wo mein Zuhause ist. Zuhause lässt sich nicht mehr so einfach definieren.
    »Warum bist du weggegangen? Warum bist du einfach verschwunden?«
    »Ich kam mir wie eine Versagerin vor.« Ich lasse seine Hand los, setze mich zurück, schlinge die Arme um meinen Körper. »Und dieses Gefühl habe ich eines Tages einfach nicht mehr ausgehalten. Ich hatte das Gefühl, als Mutter versagt zu haben. Meine Tochter war gestorben. Mein Sohn war wütend auf mich, und er hatte, weiß Gott, allen Grund dazu, wir hatten die ganze Zeit ja nur Josie im Kopf. Meine Mutter war Alkoholikerin … und … und dann hatte sie auch noch diesen Schlaganfall, und auf einmal sah ich ganz klar vor mir, wie mein ganzes Leben den Bach runterging, und damit wurde ich einfach nicht fertig.« Ich schaue ihn an. »Ich schätze, das wirft nicht gerade ein gutes Licht auf mich, eine Frau, die einfach ihre Mutter im Stich lässt.«
    Nachdem ich diese Worte ausgesprochen habe, überkommt mich brennende Scham. Ich ließ meine Mutter im Stich, als sie einen Schlaganfall hatte. Sie brauchte mich, aber ich kehrte ihr einfach den Rücken und stahl mich davon. Was bin ich nur für ein Mensch?
    »Es war … es war, als würde ein Teil von mir sich einfach abschotten.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du zu einem Psychiater gingst. Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    Ich ziehe vielsagend die Augenbrauen hoch.
    »Okay, okay«, sagt er und hebt beschwichtigend die Hände. Zumindest ist er so einsichtig zuzugeben, dass er es nicht verstanden hätte.
    »Komm nach Hause«, sagt er noch einmal, als mich mit voller Wucht die Erkenntnis trifft.
    »Ich habe wohl keine andere Wahl?«
    »Wie meinst du das?«
    »Es ist vorbei«, sage ich und gehe zum Fenster. Die Luft ist kalt dort, es zieht durch die Ritzen. Draußen hat es wieder angefangen zu schneien, weiße Flocken kommen mir aus der Dunkelheit entgegen. Ich friere, innerlich und äußerlich. Das alte und das neue Leben dürfen sich nicht überschneiden. So lautete die strikte Regel, so wie man nicht auf die Fugen zwischen den Pflastersteinen treten darf. Doch ich habe die Regel übertreten, und jetzt werde ich einfach verschluckt, ausgelöscht.
    »Mein neues Leben ist vorbei. Ich kann nicht länger so tun als ob. Als würde es mein altes Leben nicht mehr geben.«
    »Wie konntest du jemals so tun als ob?«, fragt er verwirrt. »Was hast du denn den Leuten erzählt?«
    »Dass du tot wärst. Dass ich eine Witwe bin.«
    »Du lieber Himmel«, murmelt er schockiert.
    Alex kommt zu mir ans Fenster. Bleibt neben mir stehen, schaut hinaus auf den Schnee.
    »Wir

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