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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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Kleidung, aber es ist mir egal.
    »Alex Matthews«, sage ich zu der Dame am Empfang. Sie mustert mich. »Polizei«, füge ich in brüskem Ton hinzu.
    »Tut mir leid, aber Mr Matthews ist für ein paar Tage nicht im Haus.«
    »Ist er zu Hause?«
    »Soweit ich weiß, ist er wegen einer persönlichen Angelegenheit verhindert.«
    Ich entferne mich von der Rezeption ohne ein weiteres Wort, eine Art Verzweiflung regt sich in mir. Noch vor einer Woche hatte ich das Gefühl, die Zügel fest in der Hand zu halten. Alex hätte es niemals gewagt zu verreisen, ohne sich vorher mit mir zu besprechen. Nun ist auf einmal alles anders geworden.
    Ich kann nicht auf das Polizeirevier zurück. Es gibt nur noch einen einzigen Ort, an den ich hinkann, und ich lenke meinen Wagen automatisch dorthin, ohne eine bewusste Entscheidung zu treffen, parke vor dem Haus und schaue hinauf in den ersten Stock. Er geht vor dem Fenster auf und ab, ein ordentlicher, adrett gekleideter Mensch. Meine Gefühle ihm gegenüber sind vollkommen wirr, eine Mischung aus Verachtung und Hilfsbedürftigkeit. Wenn einer mir helfen kann, dann vielleicht er. Und der Teil in mir, der schlau und gerissen ist, der nie erlahmt, dieser Teil meint, das Gutachten eines Psychiaters könnte mir möglicherweise helfen, aus dem Schlamassel, in das ich mich gebracht habe, wieder herauszukommen.
    Ich wähle die Nummer der Praxis und bitte Sally, mich zu ihm durchzustellen. Er geht zum Fenster, während wir miteinander telefonieren, späht von oben auf mich hinab. »Morgen?«, schlägt er vor, und ich ziehe scharf die Luft ein, denn bis morgen ist es noch ewig lange hin, und als er das Geräusch hört, sagt er: »Nun gut. Dann heute Mittag. Es muss wohl in der Mittagspause sein.«

48. Kapitel
    Carol Ann
    A ls ich Alex erblicke, habe ich ein Gefühl, als würde in meinem Kopf Glas in tausend winzige Scherben zerspringen. Zuerst gehen die Sprünge auf der Oberfläche strahlenförmig in alle Richtungen, dann neigt sich das geborstene Glas ganz langsam nach innen, nimmt allmählich Geschwindigkeit auf, bis das ganze Gebilde krachend in sich zusammenbricht. Die Vorstellung von diesem berstenden Glas ist so real, dass ich es regelrecht hören kann, das sanfte Knacken der ersten Risse und Sprünge, das zu einem Getöse anschwillt, als das Ganze zu einem Scherbenhaufen zusammenfällt.
    Zunächst kämpfe ich darum, dass meine Miene glatt wie das Glas bleibt, doch dann ritzen die Gefühle kreuz und quer über die Oberfläche, hinterlassen Risse und Sprünge. Liebe. Hass. Schmerz. Aber vor allem ein tiefes Gefühl der Schuld. Ein Gefühl der Schuld, dem ich nicht mehr ausweichen kann, jetzt, da ich Alex gegenüberstehe. Es gibt eine Lily. Es gibt einen Stevie. Beide sind real. Alex ist nicht tot. Das habe ich doch die ganze Zeit gewusst, oder? Nun, gewiss. Aber es ist erstaunlich, mit welch schlichten Methoden man so etwas Komplexes wie das Gehirn in Schranken halten kann. Du machst einfach eine der Türen dort zu, bringst eine Sperre davor an, nicht anders als das rote Band, mit dem man in einem Museum den Zugang zu einem verbotenen Raum absperrt, und auf diese Weise schaffst du dir in deinem Gehirn Räume, die du dir schlicht nicht zu betreten gestattest.
    Alex und ich setzen uns und schweigen. Das Gespräch ist zu bedeutsam, um einfach loszulegen, zu kompliziert, um einen Anfang zu finden. Er sieht blass aus, erschöpft.
    »Wie hat Harry dich gefunden?«
    »Er ging in die Bücherei und hat jemanden aufgetrieben, der ihm den Zugang zum Internet gezeigt hat. Dann hat er offensichtlich ein bisschen Detektiv gespielt, alte Zeitungsartikel durchforstet. Es hat nicht lang gedauert, bis er Bescheid wusste. Daraufhin hat er sich direkt an mich gewandt, ohne die Polizei einzuschalten.«
    »Die Polizei?«
    »Mein Gott, Carol Ann, was dachtest du denn? Hast du geglaubt, wir würden keinen Finger rühren, nachdem du verschwunden warst?« Er schüttelt verwundert den Kopf. »Wir wussten ja nicht einmal, ob du noch lebst. Und dann fing die Polizei an, mich in die Mangel zu nehmen, denn sie dachten, ich hätte … ich hätte dich umgebracht.« Seine Stimme verhallt zu einem leisen Murmeln, und als ich jäh die volle schreckliche Bedeutung seiner Worte erkenne, schlage ich unwillkürlich die Hand vor den Mund.
    »Oh mein Gott, Alex. Was war mit …«
    »Mach dir deswegen jetzt keine Gedanken. Das ist nicht der wichtige Teil.« Doch keiner von uns beiden scheint dazu fähig, den wichtigen Teil

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