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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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Mal nach unten. Herdplatte. Okay. Haustür. Okay. Wasserhähne. Okay.
    In der Schule fiel es allmählich auf, mein blasses Gesicht, die müden, schweren Augenlider. Die Lehrer wussten natürlich über meinen familiären Hintergrund Bescheid. Schwierige Familienverhältnisse, hieß es. Nachlässige Mutter. Einmal nach dem Unterricht nahm mich meine Klassenlehrerin beiseite und wollte vage von mir wissen, die Frage war ihr ja so entsetzlich peinlich, ob alles in Ordnung sei, äh, zu Hause …
    »Ja, Miss«, antwortete ich und sah, wie sie mit schlecht verhohlener Erleichterung nickte.
    »Sicher?«, hakte sie nach, ohne mir jedoch Zeit für eine Erwiderung zu lassen. »Dann ab mit dir in die Pause, Matheson.«
    Ab mit dir. Lauf nach Hause. Mach die Tür hinter dir zu. Kindheit bedeutete für mich, weggeschoben zu werden. Einen kurzen Moment bin ich wieder dieses Kind, schließe die Augen, kämpfe gegen meine Tränen an, verdränge Erinnerungen, errichte Barrieren. Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. Die Hand einer Frau. Lilys Hand? Da erst wird mir bewusst, dass ich immer noch in dem Dorfladen stehe, vor dem Kühlregal, in der Hand die Flasche Milch. Meine Finger sind eiskalt, kälter als das Glas.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« Die Stimme ist sanft. Die Frau in mittleren Jahren, die den Laden führt, schaut mich an; die blassgrauen Augen in dem Gesicht ohne jegliche Spur von Make-up sprechen von Besorgnis. Es hat seine eigene Schönheit, dieses Gesicht.
    »Oh … ja, danke … es geht mir gut. Ich habe nur … ich … mir war nur gerade ein bisschen schwindlig … ich …«
    »Möchten Sie sich kurz hinsetzen?«
    »Nein … nein … danke. Ich nehme nur die Milch hier und sehe zu, dass ich nach Hause komme.«
    »Sind Sie sicher?«
    Ich lege mit steifen kalten Fingern das Geld auf den Ladentisch und bemühe mich, ein Lächeln zustande zu bringen.

11. Kapitel
    Karen
    A bgesehen von der Nummer des Psychiaters fand ich in Carol Anns Handy nichts Nennenswertes mehr, das zur Lösung des Falls beigetragen hätte. Da gab es lediglich noch die Telefonnummer der Schule … der Reinigung … der biederen Besitzerin des Tearooms, in dem Carol Ann stundenweise gearbeitet hat. Die Nummer einer Freundin, die sie noch aus der Zeit kennt, als sie mit Steve in einer Spielgruppe war, und die sie zuletzt vor einem Dreivierteljahr gesehen hat. So eine Bekanntschaft zählt in Carol Anns ödem, langweiligem Leben bereits als Busenfreundin. Sie hat, von ihrer Mutter abgesehen, keine nahen Verwandten. Als ich die letzte Nummer wählte und merkte, dass ich mit dem Supermarkt Tesco verbunden war, konnte ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Hatte diese Frau denn gar kein richtiges Leben ?
    Eines Tages jedoch wurde alles anders. Ich kann den genauen Grund dafür nicht einmal benennen. Ich denke, es war, weil an diesem Tag zum ersten Mal ihr Handy piepte und anzeigte, dass sie eine SMS bekommen hatte. Dank dieses Handys ist es mir möglich geworden, wie durch den Sucher einer Kamera auf ein anderes Leben zu blicken. Es fasziniert mich. Ich trage es ständig mit mir herum, obwohl ich weiß, ich sollte es sicher verschlossen aufbewahren, falls es einmal als Beweisstück dienen muss. Aber ich komme mir fast wie eine andere Frau vor, wenn ich es bei mir habe. Als könnte ich für eine kleine Weile in Carol Anns Leben schlüpfen und darin herumspazieren. Auch wenn dieses Dasein langweilig und ereignislos sein mag, so lebt man darin zumindest gut situiert und sicher. Privilegiert. Eine Frau, die einen Psychiater hat, du meine Güte. Da, wo ich herkomme, gibt es so etwas nicht.
    Als zum ersten Mal ihr Handy angerufen wurde, war es nur Steves Schule. Eine Stimme auf Band hinterließ eine Nachricht. »Steven ist heute nicht zum Unterricht erschienen. Setzen Sie sich nur dann mit der Schule in Verbindung, wenn Sie sich Sorgen über den Verbleib Ihres Kindes machen. Bitte denken Sie daran, dass wir eine schriftliche Entschuldigung benötigen. Vielen Dank.« Gott weiß, wo der Bengel sich herumgetrieben hat. Ich versuchte mir vorzustellen, dass es mein Sohn wäre, aber es gelang mir nicht. Ich beschloss, Alex nicht davon in Kenntnis zu setzen, dass sein Sohn die Schule geschwänzt hat. Nein, ich werde diese Information für mich behalten und Steve zu gegebener Zeit damit Angst einjagen, falls die Umstände es erforderlich machen. In ihm den Verdacht wecken, er werde überwacht. Ihm das Gefühl geben, dass er mir

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