Die verborgenen Bande des Herzens
Kopf und schaut nachdenklich durch die dreieckige Öffnung, als würde er durch ein Teleskop blicken. Er vermeidet es, mich anzusehen.
Ich versuche, meine Ungeduld im Zaum zu halten, während ich ihn beobachte. Es ist, als würde ich das Innenleben einer Uhr betrachten, die surrenden, tickenden Rädchen, die gleichmäßigen, langsamen Schwingungen des unermüdlichen Pendels.
»Ich denke, über dieses Thema haben wir bereits gesprochen«, sagt er schließlich.
»Es ist sechs Wochen her, seit wir uns unterhalten haben, Dr. Hammond. Wir haben immer noch keinen einzigen Anhaltspunkt, der uns dabei helfen könnte, Carol Ann aufzuspüren. Falls wir sie finden und uns vergewissern können, dass sie aus freien Stücken ihr Zuhause verlassen hat, wird sie bleiben, wo sie ist. Niemand wird sie zwingen zurückzukehren. Aber wir müssen zu der Erkenntnis kommen, dass es tatsächlich ihr freier Wille war, ihrem Zuhause und ihrer Familie den Rücken zu kehren. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Hammond hüllt sich in Schweigen, betrachtet weiter unverwandt das Dreieck seiner Hände auf dem Schreibtisch.
»Wir brauchen Ihre Hilfe«, wiederhole ich eindringlich. »Wir müssen uns sicher sein, dass Carol Ann nichts passiert ist. Dass niemand ihr etwas angetan hat. Ich verstehe, dass die ärztliche Schweigepflicht Sie zwingt, mit Informationen zurückhaltend zu sein. Aber inzwischen sind sechs Wochen vergangen, Dr. Hammond. Sechs Wochen. Wir müssen sie finden. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns endlich helfen würden.«
Das weiche schwarze Leder von Dr. Hammonds Sessel knarrt diskret, als er sich erhebt und zu dem Aktenschrank in der Ecke des Zimmers geht. Er sagt immer noch keinen Ton, schaut nicht zu mir her, aber ich sehe ihm an, dass die Tatsache, dass Carol Ann noch nicht wieder aufgetaucht ist, ihn, zumindest für seine Verhältnisse, aus der Fassung gebracht hat. Er zieht eine Akte heraus und legt sie ungeöffnet vor sich auf den Schreibtisch.
»Nun gut, wenn Sie mir sagen, was genau Sie wissen müssen, kann ich mir überlegen, ob ich Ihnen eventuell helfen kann.«
»Hat Carol Ann häufig über ihre Beziehung zu ihrem Ehemann gesprochen? War es eine normale … wie soll ich sagen … gesunde … Beziehung?«
»Was ist normal und gesund?«, fragt er zurück.
»Gab es Spannungen zwischen den beiden?«
»Glauben Sie, dass Spannungen abnormal sind? Gibt es irgendein Paar in Ihrem Bekanntenkreis, bei dem es keine Spannungen gibt?«
Himmelherrgott. Er weiß genau, was ich meine.
»Okay, dann halt Wutausbrüche«, sage ich angespannt. »Destruktive Wut.«
Dr. Hammond blickt versonnen aus dem Fenster seines Büros, als hätte er meine Frage nicht gehört. »Interessant, dass Sie Ihr Augenmerk darauf richten«, murmelt er und fährt fort, aus dem Fenster zu gucken. »Als ich ein Junge war«, sagt er schließlich, »gab es in dem Haus neben unserem einen sehr, sehr bösen, aggressiven Schäferhund.«
»Aha?«
»Jedes Mal, wenn sich jemand auf der Straße dem Haus näherte, fing er an zu knurren. Wenn man versucht hätte, ihn zu streicheln, hätte er einem die Hand abgebissen.«
Was soll das hier sein? Eine lehrreiche Kindersendung? Ich versuche, den Ärger hinunterzuschlucken, der wie Galle in mir hochsteigt. Dr. Hammond hat etwas an sich, das mir das Gefühl gibt, er nimmt mich nicht für voll. Glaubt er, ich bin blöde, weil ich nie auf eine teure Uni gegangen bin? Glaubt er, in Bildern mit mir reden zu müssen? Diese verdammten Intellektuellen.
»Der Hund war sehr wütend und bösartig. Sie wissen doch, was Wut ist, Officer McAlpine?«, fragt er mit leiser Stimme.
Bei der Frage bekomme ich plötzlich rasendes Herzklopfen, das sich nicht mehr legen will.
»Die Besitzer hatten ihre Gründe, sich so ein Tier zu halten«, fuhr er fort, als hätte es diese Zwischenfrage nicht gegeben. Er lehnt sich in seinen Schreibtischsessel zurück, legt entspannt den Kopf gegen das Rückenteil und schließt einen Moment die Augen. »Das Tier war, wie Sie sich leicht vorstellen können, ein ausgezeichneter Wachhund. Wenn jemand durch das Gartentor hereinkam, bellte er die ganze Gegend zusammen. Also hielten sie den Hund im Garten an einer kurzen Leine, sodass er Besucher nicht anfallen konnte, und zwischendurch legten sie ihn an eine etwas längere Leine, damit das Tier Bewegung hatte. Der Hund biss seine Besitzer nie, weil sie ihm ja sein Futter brachten, aber er wurde mit der Zeit so aggressiv, dass sogar sie schließlich Angst
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