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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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stellt sie zurück in den Aktenschrank. Ich verstehe nicht, zu welchem Zweck er sie überhaupt herausgeholt hatte. Eine Art symbolische Geste, nehme ich an. Die Schublade des Aktenschranks schießt sich mit einem leisen Schnappen.
    »Reden Sie mit Alex«, sagt er.
    »Wer ist Josie?«
    »Ich kann Ihnen nicht weiter helfen, als bereits geschehen ist. Reden Sie mit Alex.«
    »Ist Alex ebenfalls bei Ihnen in Behandlung?«
    Er schüttelt verneinend den Kopf.
    »Bin ihm nie begegnet.«
    »Woher wissen Sie dann …«
    »Ich weiß nur das, was Carol Ann mir erzählt hat.«
    »Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«
    »Ich ziehe keine Schlüsse.«
    Er geht mir jetzt wirklich mächtig auf den Geist. Ich denke, das weiß er auch. Er schaut mich an und zieht dabei leicht die Augenbrauen hoch.
    »Meine Patienten ziehen ihre Schlüsse, nachdem sie mit mir geredet haben.«
    »Verstehe.«
    »Ich glaube, wenn Sie es wirklich versuchen, werden Sie auch den Zusammenhang zwischen Schmerz und Wut verstehen, den ich hergestellt habe«, sagt er. Sein Ton ändert sich, wird leise, sanft und fast persönlich. Die Worte gleiten aus seinem Mund, geschmeidig und gefährlich. »Und verzeihen Sie mir, wenn ich mir die Freiheit genommen habe, dieses Thema anzusprechen. Mein Beruf bringt es eben mit sich, dass man unterdrückte Wut sehr rasch erkennt.« Das Pfefferminzdragee klickt in seinem Mund, schlägt gegen seine Backenzähne.
    »Bisweilen, Dr. Hammond, bringt es Ihr Beruf auch mit sich, dass man sich allzu sehr in Theorien versteigt.«
    »Vielleicht«, erwidert er mit einem kaum merklichen Schulterzucken. »Wenn das so ist, kann ich Ihnen wohl kaum weiter von Nutzen sein.«
    Schweigen breitet sich aus, doch Hammond ist definitiv nicht gewillt nachzugeben.
    »Noch eine Sache«, breche ich schließlich das Schweigen. »Carol Anns Mutter macht sich Sorgen, Alex könnte seiner Frau etwas angetan haben. Schließen Sie aus dem, was Carol Ann Ihnen erzählt hat, dass es in der Ehe zu offener Gewalt gekommen ist? Hat sie sich von ihrem Mann bedroht gefühlt?«
    »Sie hat mir keinen Grund geliefert, dies anzunehmen. Natürlich kann ich nicht definitiv sicher sein, aber es würde mich doch sehr überraschen. Wie ich schon gesagt habe, das treibende Element in dieser Beziehung war viel eher der Schmerz und nicht die Gewalt.«
    Zeit, aufzubrechen. Sein Blick verrät, dass das Gespräch für ihn beendet ist, dass er sich vorerst nicht einmal mehr gedanklich mit Carol Ann beschäftigen wird. Diese spezielle Akte ist nun geschlossen und weggesperrt.
    »Sie können mir also weiter nichts mehr dazu sagen?«
    »Ich denke, ich habe Ihnen eine ganze Menge gesagt.«
    »Das stimmt«, sage ich knapp. »Besten Dank auch.«
    Sie wissen, was Wut ist, Officer McAlpine? Seine Stimme ist weich und glitschig wie ein nasses Seifenstück. Sie wissen, was Wut ist? Fast, als würde er Bescheid wissen, aber das tut er nicht. Er hat keine Ahnung. Alles, was er weiß, hat er aus Büchern. Und was seine Patientinnen, diese netten, wohlsituierten Damen, ihm von ihrem beschwerlichen, etablierten Leben erzählen. Die drückenden Hypothekenschulden. Ihr Empty-Nest-Syndrom. Die Affären ihrer Ehemänner. Ob diese Josie wohl so etwas ist? Eine Affäre? Alex, du böser Bube.
    Verdammt! Der Dosenöffner, mit dem ich hantiere, rutscht mir aus den Händen, und ich schürfe mir an dem scharfen Dosenrand den Fingerknöchel auf. Ein Fetzen Haut ist weggerissen, darunter ist das rosarote rohe Fleisch zu sehen. Genau das ist es, was dieser Hammond sich einbildet – unter die Haut sehen zu können. Der sieht rein gar nichts, dieser Kerl, nur das, was ich ihn sehen lasse.
    Nur die Reichen haben Zeit für Psychosen. Wir normale Menschen müssen ständig strampeln und kämpfen, um zu überleben, uns fehlt die Muße für seelische Erschütterungen. Diese Leute sind mir nämlich suspekt, die quasi eine Klasse überspringen, die in einer Sozialwohnung aufgewachsen sind, rotznasig, mit Löchern in den Schuhen, und auf einmal mit einem Pudel an der Leine und einem eigenen Seelenklempner daherkommen. Das passt einfach nicht zusammen. Der Mensch, der man innerlich ist, bleibt man auch. So etwas lässt sich nicht verändern.
    Ich gebe die Bohnen aus der Dose in einen Topf. Eine Scheibe Toast dazu. Ein bisschen geriebenen Parmesan drüber. Verdammt. Nun ist wohl auch abgeriebene Haut dabei. Stopft den Magen. Macht satt. Tut es doch. Funktioniert. Was weiß Hammond schon vom Funktionieren? Meine Mutter

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