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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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vor ihm bekamen und sich nicht mehr in seine Nähe wagten.« Hammond öffnet die Augen und schaut mich an. »Der Hund faszinierte mich. Ich wurde nie müde, ihn zu beobachten.«
    »Hundepsychologie?«
    Dr. Hammond lächelt vage und richtet den Blick von mir zu seinem Schreibtisch. Er greift nach einem Stift und kritzelt etwas auf einen Zettel, während er fortfährt.
    »Die Sache ist die: Je aggressiver der Hund wurde, desto weniger Freiheit und Auslauf bekam er. Und je weniger Freiheit er bekam, desto aggressiver wurde er. Verstehen Sie?«
    Er zeichnet waagrechte Striche auf das Papier, Pfeile, die auf eine gerade Linie zeigen.
    »Je größer die Wut, desto weniger Freiheit«, wiederholt er, und schaut mir nun direkt ins Gesicht.
    »Ja. Und …?«
    »Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass der Hund sich angewöhnt hatte, an seinem Hals zu reiben. Immer wieder hob er die Pfote und rieb damit über eine bestimmte Stelle an seinem Hals, nicht grob, aber doch heftig. Mein Zimmer, in dem ich immer meine Hausaufgaben machte, ging auf den Garten des Nachbarhauses. Wenn ich an meinem Schreibtisch saß, konnte ich ihn beobachten, verstehen Sie? Mit Unterbrechungen zwar, aber immer wieder. Manchmal schaute ich eine Zeitlang nicht hin, weil ich etwas schrieb, aber wenn ich dann wieder nachdachte und den Kopf hob, schaute ich automatisch hinunter zu dem Hund. Nun, nachdem ich eine lange Zeit das Verhalten dieses Hundes studiert hatte, kam ich zu dem Schluss, dass mit seinem Hals etwas nicht in Ordnung war. Ich sprach unsere Nachbarn daraufhin an. Und wie sich herausstellte, war es eine ganz simple Sache: Das Halsband des Hundes hatte seinen Hals aufgescheuert, und die Haut darunter hatte sich entzündet. Aber niemand wagte sich nah genug an das Tier heran, um ihm zu helfen. Seine Besitzer warfen ihm sein Futter hin. Sie spritzten ihn aus sicherem Abstand mit einem Wasserschlauch ab. Sie behielten ihn, weil er ein guter Wachhund war, aber sie gaben sich nicht mit ihm ab, ließen sich nicht mit ihm ein. Sehen Sie, es ist wirklich ganz erstaunlich, wie viele ganz offensichtliche Dinge wir möglicherweise nicht wahrnehmen, wenn wir uns nicht darauf einlassen wollen.«
    Er lehnt sich in seinen Stuhl zurück und lächelt mich an.
    »Schön.«
    »Sie fragen sich nun sicher, was der Sinn dieser ganzen Geschichte ist, Officer.«
    Ich lächle zurück, boshaft und giftig. »Sie können ja Gedanken lesen, Dr. Hammond.«
    »Es geht darum, dass Wut nicht einfach Wut ist. Die Wut wurde ausgelöst durch Schmerzen, von denen niemand eine Ahnung hatte.« Jetzt malt er Kreise auf das Blatt Papier, und ich sehe zu, wie die grauen Bleistiftwirbel sich in Wolkengebilde an einem weißen Himmel verwandeln. »Ein Teufelskreis. Sie wollten wissen, ob destruktive Wut im Spiel war. Schmerz kann in einer Beziehung äußerst destruktiv sein. Schmerz verursacht Wut, und Wut verursacht Schmerz. Das ist ganz natürlich.«
    Du meine Güte. Jetzt sind wir schon bei den Ratespielen angelangt. Wenn Schmerz gleich Wut und Wut gleich Schmerz ist, was, bitte schön, ist dann gleichbedeutend mit Genervtsein?
    »Reden wir jetzt über den Schmerz von Carol Ann? Oder den von ihrem Mann?«
    »Vielleicht von beiden«, erwidert er.
    Ich warte auf nähere Erläuterungen, aber die gibt mir Dr. Hammond nicht. Er öffnet eine kleine Dose, die auf seinem Schreibtisch liegt. Sie sieht aus, als wäre Aspirin drinnen, aber es sind extra starke Pfefferminzdragees. Er hält mir die Dose hin, ich lehne dankend ab. Hammond schiebt sich ein Dragee in den Mund.
    »Ich merke, dass ich mir immer wieder Gedanken mache, Officer – Karen, nicht wahr? –, was es mit Ihrer Wut auf sich hat.«
    »Was reden Sie denn da?«
    »Genau das meine ich. Diesen … feindseligen Ton, der jedes Ihrer Gespräche begleitet. Ich frage mich … was der Grund dafür sein könnte …«
    »Ach ja? Na, dann fragen Sie sich nur weiter, Dr. Hammond«, erwidere ich mit einer Stimme, die vor Sarkasmus trieft, doch mein Herz klopft wie wild, schlägt gegen meine Brust, als würde es sich lautstark Gehör verschaffen wollen.
    »Konzentrieren wir uns doch auf Carol Ann«, fahre ich in brüskem Ton fort. »Was, würden Sie sagen, war der Grund für ihren Schmerz?«
    »Sie haben mit Alex gesprochen?«
    »Ja, natürlich.«
    »Hat er Ihnen von Josie erzählt?« Er schaut mich forschend an.
    »Josie? Wer ist Josie?«
    »Ich verstehe.« Er nimmt die Patientenakte, die immer noch ungeöffnet auf seinem Schreibtisch liegt, und

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