Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
Vom Netzwerk:
Abdruck auf der Glasscheibe des Fotorahmens hinterlassen, und ich wische ihn mit meinem Ärmel sorgfältig weg, ehe ich das Foto wieder auf seinen Platz stelle.
    »Soll ich sie Ihnen jetzt zeigen?«, fragt Harry. »Patsys Sachen?« Ich spüre seine Anspannung, sein Bedürfnis, das anzugehen, weswegen wir uns verabredet haben.
    »Nur, wenn Sie es wirklich möchten, Harry. Wenn Sie sich dem gewachsen fühlen.«
    Irgendwie hoffe ich insgeheim, dass dies nicht der Fall ist.
    Er geht mir voran die Treppe hoch, zieht sich mit einer Hand am Geländer hoch und stützt sich mit der anderen auf seinen Stock. Langsam begeben wir uns nach oben, ich zwei Stufen hinter ihm; auf jeder Stufe machen wir kurz Halt, und ich achte darauf, dass ich die Distanz zu Harry nicht verringere. Trotzdem er so viel älter ist als ich, überkommt mich ein komisches Gefühl, dass ich mit ihm unterwegs zu seinem Schlafzimmer bin. Es erscheint mir zu intim für eine Freundschaft, die noch in der Anfangsphase steckt. Ich denke, er empfindet genauso, wir sind dabei, ein Tabu zu brechen, und diese Tatsache legt sich auf die Stille. Doch gleichzeitig weiß ich, dass das, was nun folgt, ungemein wichtig für ihn ist. Er hat das Bedürfnis, mich Patsy vorzustellen.
    Das Zimmer ist hell und verspielt, feminin, die vorherrschenden Farben sind Pfirsich und Cremeweiß, dazwischen Streifen eines ganz blassen Zitronengelbs. Es gibt nur wenige Anzeichen von Harrys Existenz: auf dem Nachttisch eine Biografie von George Best und eine Lesebrille; auf dem Toilettentisch ein Deospray und eine ungeöffnete Flasche Aftershave, wahrscheinlich ein Weihnachtsgeschenk, das nicht die richtige Wahl gewesen war; ein Herrenschlafanzug, der unter dem Kopfkissen hervorlugt wie eine kleine Zunge. Obwohl die beiden dieses Zimmer gemeinsam bewohnten, obwohl Harry noch immer darin schläft, war und ist es eindeutig Patsys Zimmer. Sie ist tot, dennoch wagt sich Harry immer noch nicht ganz hinein.
    Ihre Kosmetiktiegel, ihr Sortiment an Nagellacken und Lippenstiften und Parfumflakons stehen ordentlich aufgereiht auf dem Toilettentisch. Dazwischen sehe ich in einem bemalten Behälter ein Sammelsurium an Lippenstiften und Lidstiften. Harry nimmt eine Flasche Nagellack in die Hand, ein dunkles sattes Rosarot. Vage regt sich eine Erinnerung in mir, ein Gefühl von Déjà-vu. Rosaroter Nagellack …
    »Patsy hatte immer gepflegte Hände«, erzählt er, »wunderschöne lange Nägel, wie eine richtige Lady. Sie war stolz darauf. Bei der Hausarbeit trug sie immer Gummihandschuhe.«
    Ich nicke.
    »Rot hat sie nicht gemocht«, fährt er fort. »Zu ordinär für Patsy, roter Nagellack.«
    Ich spiele mit dem Gedanken, ihn darauf hinzuweisen, dass meine Fingernägel rot lackiert sind, aber dann halte ich lieber den Mund. »Sie mochte die gedeckteren Farben, Rosé- und Pfirsichtöne. Sehen Sie?«, fährt er fort und hält das Fläschchen gegen das Licht. Er reicht es mir. »Machen Sie es auf«, sagt er, »nur zu.«
    Ich schraube das Fläschchen auf; der Rand ist verklebt mit hart gewordenen Lackresten. Der Inhalt des Fläschchens sieht aus wie marmoriert, die einzelnen Farbschichten beginnen sich bereits abzusetzen.
    »Hübsche Farbe«, sage ich und schaue auf das Etikett. Moroccan Rose.
    »Ich wette, in dem Töpfchen da findet sich der passende Lippenstift«, sagt er. »Sie mag es, wenn die Sachen zusammenpassen.« Präsens. Ich stelle die Flasche genau an die Stelle zurück, wo sie war.
    »Hier drüben«, sagt er und winkt mich mit einer steifen Bewegung zu sich ans Fenster, »hier hat sie ihren Schmuck aufbewahrt.« Unter dem Fenstersims steht ein kleines Schubladenschränkchen, cremeweiß lackiertes Holz, die Frontseiten mit pfirsichfarbenen Blüten bemalt. Er zieht die schmalen Schubladen auf, und drinnen, ordentlich beschriftet, finden sich kleine Etuis und Samtbeutelchen und eine quadratische Schatulle für Ringe. Letztere ist hübsch, silberfarben und reich verziert und mit rotem Samt ausgeschlagen.
    »Schauen Sie mal«, sagt Harry und nimmt sie heraus, »aus Spanien. Es war unser erster Urlaub im Ausland, und Patsy hat diese Schatulle auf einem Markt entdeckt und sich in sie verliebt.« Er nimmt den Deckel ab. »Sie wollte nicht, dass wir so viel Geld dafür ausgeben, aber ich bin später noch einmal allein zurück auf den Markt und habe sie ihr gekauft, als Geburtstagsgeschenk. Sie hatte keine Ahnung. Ich habe die Schatulle einen Monat versteckt gehalten, und als sie am Geburtstag das

Weitere Kostenlose Bücher