Die verborgenen Bande des Herzens
Porzellan; ein Milchkännchen und eine Zuckerdose, mit einem weißen, mit Perlen eingefassten Spitzendeckchen bedeckt. Kekse in einer zierlichen, anmutigen Porzellanschale. Ich sehe Patsy in dem Arrangement. Ich habe sie persönlich nie kennengelernt, aber irgendwie erkenne ich an der Feinheit und Zartheit des Spitzendeckchens, an der Bedachtsamkeit und Sorgfalt des Arrangements, dass Patsy ihre Hand im Spiel hatte. Harry hat den Tisch exakt so gedeckt, wie Patsy es getan hätte.
»Bitte nehmen Sie doch Platz.«
Ich lasse mich in der Mitte des Sofas nieder, Harry setzt sich in einen Polstersessel neben dem offenen Kamin.
»Nicht übel draußen, heute.«
»Ja, die Luft ist ganz klar, aber der Wind ist ziemlich rau.«
Harry nickt.
»Immer noch zufrieden mit Ihrer Arbeit in McGettigan’s Lokal?«
»Ja … ja. Sean ist sehr nett zu mir.«
»Eine anständige Familie.«
»Ja.«
Er nickt.
»Eine anständige Familie«, wiederholt er.
»Haben Sie auch … haben Sie Kinder, Harry?«
»Zwei Jungs. Beide inzwischen in England. Sie kommen her, wann immer sie können.«
»Enkelkinder?«
»Drei. Zwei Mädchen und ein Junge.« Er deutet mit seinem Stock auf ein Foto oben auf dem Fernsehschrank. »Das sind sie.«
»Wer ist … ist Patsy darauf zu sehen?«
»Das ist sie.« Er rutscht mit seinem Gesäß vor bis zur Sesselkante und wippt dann mit dem Oberkörper ein wenig vor und zurück, um Schwung zu holen zum Aufstehen.
»Nein, nein. Bleiben Sie sitzen«, sage ich schnell, gehe zu dem Foto und nehme es in die Hand. Der Rahmen ist aus ziseliertem Silber und überraschend schwer. Auf dem Foto sieht man Patsy auf dem Sofa sitzen, genau dort, wo ich gerade gesessen habe. Sie wird flankiert von zwei kleinen Mädchen, altersmäßig vielleicht zwei Jahre auseinander, die identische rosafarbene Kleidchen tragen. Hinter dem Sofa, genau hinter Patsy, steht ein kleiner Junge und stützt sich mit den Händen auf die Lehne, sodass es fast so aussieht, als würde er aus Patsys Kopf herauswachsen. Man sieht ihm an, dass er ein richtiger kleiner Satansbraten ist, mit seinen roten Wangen und seinen klaren braunen Augen, wie Stecknadelköpfe. Er streckt über dem Kopf seiner Oma die Zunge heraus, und eins der Mädchen schaut kichernd zu ihm hoch. Patsy, das schließe ich aus ihrer Miene, hat von alledem keine Ahnung.
Ich gebe keinen Kommentar zu dem Foto ab, schenke Harry aber ein Lächeln, der es mit einem kleinen hüstelnden Lacher erwidert und dabei leicht den Kopf nach hinten wirft.
Ich stelle das Foto an seinen Platz zurück und richte meine Aufmerksamkeit auf das Bild daneben, auf dem Harry und Patsy zusammen zu sehen sind.
»Sie sehen beide schick aus«, bemerke ich, »als würden Sie zu einer Hochzeitsfeier gehen.«
»Die Hochzeit meines Ältesten. Patrick.«
Patsy trägt Lindgrün, ein Kleid mit einem passenden kleinen Mantel darüber. Sie hat ein Lächeln, das nie direkt in die Kamera gerichtet ist. Auf jedem dieser Fotos wirkt sie, als wäre sie nicht ganz bei der Sache, als würde die Kamera nicht einfangen können, wo sie in Gedanken gerade weilt. Sie lässt sich nicht auf einen typischen Gesichtsausdruck festlegen, denn wenn die Kamera blitzt, um ihn einzufangen, hat sie ihn bereits wieder verändert, weil sie schon wieder gedanklich unterwegs ist. Schon wieder ganz woanders. Patsy lässt sich nicht fassen, nicht einfangen.
»Sie ist hübsch«, sage ich lächelnd zu Harry, mehr aus dem Gefühl heraus, dass es von mir erwartet wird, als dass es den Tatsachen entspricht. Patsy ist nicht unbedingt hübsch zu nennen, eher wirkt sie altmodisch, zerbrechlich, irgendwie weltfremd. Ihr Haar ist dunkel, aber dünn, ein wenig strähnig, ihre Augen sind grau-blau. Sie ist groß für eine Frau, fast so groß wie Harry – nun ja, ein Riese ist er nicht gerade –, und ihre Figur ist eine Spur zu dünn, zu knochig, als dass ihre Kleidung gut sitzen würde. Apropos Kleidung. Man hat den Eindruck, sie habe sich bewusst dieses konventionelle Brautmutter-Ensemble verpasst, um ihre Sonderbarkeit zu vertuschen, doch alles, was sie damit erreicht hat, ist, dass sie noch mehr ins Auge springt. Diese Kleidung sieht an ihr aus, als würde sie einer anderen Frau gehören, als würde sie nicht so richtig zu ihr passen. Ich weiß, wovon ich rede, ich kenne mich da aus.
»Schöne Augen«, sage ich, was wirklich stimmt.
»Ja, nicht wahr?«, erwidert Harry mit einer Dankbarkeit, die ich erst später verstehen werde.
Mein Daumen hat einen
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