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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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Alex.
    »Von ihr. Dieser Psychopathin von einer Polizistin. Dauernd ist sie hier, schnüffelt herum, durchwühlt Mums Sachen. Wieso erlaubst du ihr das? Stehst du auf sie, oder was?«
    Es ist so offensichtlich, dass Steve einfach eine Mordswut im Bauch hat und, wie Teenager eben sind, seinen Vater mit seinem Ausbruch provozieren will. Deshalb bin ich überrascht, dass Alex überhaupt darauf reagiert, doch anscheinend liegen bei ihm allmählich die Nerven blank. Ist es, weil er ein schlechtes Gewissen hat oder weil ihn der Kummer überwältigt?
    Danach wird alles ein wenig verworren. Laute Wortfetzen dringen an mein Ohr, wütende männliche Stimmen, über die sich Lilys vor Angst kreischende Stimme erhebt. Ich laufe die paar Stufen zu dem Absatz auf halber Höhe der Treppe hinunter und spähe nach unten.
    Alex hat Steve an den Schultern gepackt, krallt seine Hände in sein T-Shirt und drückt ihn gegen die Wand, fast hebt er ihn aus den Schuhen. Die beiden sind schon lange reif für diese Auseinandersetzung, seit Wochen kocht und brodelt es in ihnen. Lily beobachtet die Szene mit irrem Blick, ihr Atem geht keuchend.
    »Krnn«, ruft sie, als sie mich entdeckt, aber das Weitere ist unverständliches Gebrabbel.
    » DU TUST , WAS ICH SAGE !«, brüllt Alex, der offensichtlich alles um sich herum vergessen hat.
    » GANZ SICHER NICHT !«, brüllt Steve zurück, »einen Dreck werd ich tun, du Schuft. Du bist schuld, dass sie fort ist.«
    »Ich? Ich habe sie nicht aus dem Haus getrieben. Dass sie sich mit einem halbwüchsigen Kriminellen rumschlagen muss, das hat sie fortgetrieben«, brüllt Alex und drückt ihn noch fester gegen die Wand.
    Ich packe Alex an der Schulter und ziehe ihn weg.
    »Okay. Genug jetzt«, sage ich und zerre an ihm. » GENUG !«
    Anfangs sträubt sich Alex, dann spüre ich, wie sein Griff lockerer wird. Schließlich lässt er von seinem Sohn ab, lässt schlaff die Arme sinken, dann fährt er sich mit der Hand durchs Haar.
    »Oh verdammt«, murmelt er.
    Steve weint tränenlos, schnappt keuchend nach Luft, wimmert. Plötzlich geht er in die Hocke, kauert sich auf den Boden wie ein in die Enge getriebenes Tier.
    Alex schaut ihn an, streckt mit einer linkischen Geste den Arm nach ihm aus.
    »Komm Stevie, steh auf«, sagt er, aber der Junge rührt sich nicht vom Fleck. Alex bückt sich und will ihn hochziehen, doch Steve schüttelt mit einer wütenden Schulterbewegung seine Hand ab.
    »Komm schon, Stevie«, sagt Alex, »komm. Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen.«
    Die Tränen strömen Steve über die Wangen, aber er schweigt weiter. Sanft zieht Alex ihn auf die Füße, Steves Widerstand ignorierend, bis er seinen Sohn in eine aufrechte Position gebracht hat. Auch im Stehen wirkt Steve, als hätte ihn alle Kraft verlassen, seine Schultern hängen nach vorn wie die Ränder eines vertrockneten Sandwichs. Und dann fängt er plötzlich an zu weinen, heult wie ein Baby, und Lilys Augen weiten sich vor Angst und Kummer, fliegen von mir zu Alex, hoffen, dass einer von uns beiden eingreift, etwas tut. Alex hat seine Hände immer noch auf Steves Schultern liegen, und nun zieht er seinen Sohn zu sich her und nimmt ihn ganz fest in die Arme, als wollte er ihn nie mehr loslassen. Lily humpelt zu den beiden hin, streicht vorsichtig über Steves Rücken, als wäre er irgendein seltsames Tierchen, dann wendet sie sich ab, geht zu der Treppe und lässt sich ganz unelegant auf eine Stufe plumpsen.
    Ich setze mich mit einem Ruck auf. Schweißausbruch. Dunkle Schatten. Seit Jahren war es nicht mehr so schlimm wie jetzt. Seit Jahren nicht. Der Geruch nach billigem Fusel. Mein Gott, er ist im Zimmer. Wo genau ist er? Ich schlage die Zudecke zurück, greife nach etwas, irgendetwas. Ein Poltern. Ein Poltern, weil er gestürzt ist? Ja? Ja? Ich springe aus dem Bett. Nein … nein … die Lampe ist umgefallen. Ich habe die Lampe umgestoßen. Ich spitze die Ohren, lausche angestrengt. Mein Herz schlägt in der Stille, bum, bum, bum, wie eine afrikanische Trommel. Einatmen. Tief. Einatmen. Nichts. Niemand. Ich stelle die Lampe wieder an ihren Platz. Sinke auf das weiche Daunenkissen zurück. Tief durchatmen.
    Einmal packte er mich am Hals, am Kragen meiner Schuluniform, sodass ich beinah erstickt wäre. Ein Griff, genau wie Alex, als er Steve gegen die Wand drückte – und doch gleichzeitig irgendwie anders. Ein Sadist, das war er. Alex ist kein Sadist. Eines Tages, ich war ungefähr fünfzehn, ging der Alte auf mich und meine

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