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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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Jahre älter als Patsy, aber im Grund war ich noch ein Junge. Ich mochte sie aber. Sie war anders als die anderen Mädchen. Sie hatte zwar keine großartige Figur und verstand sich auch nicht besonders gut darauf, sich schick anzuziehen, und auch vom Wesen her war sie nicht gerade zugänglich, aber irgendwie strahlte sie so eine innere Ruhe aus, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und sie hatte hübsche Augen … wirklich wunderschöne Augen. So ein zartes Graublau…«
    »Und wie ging es dann weiter? Sind Sie nach London gegangen?«
    »Ich fand eine Stelle in einer Bank. Dort lernte ich dieses Mädchen kennen, Caroline …« Er schüttelt den Kopf. »Ich hatte noch nie so eine Frau wie sie gesehen. Dieses Haar, lange schwarze Locken bis zur Taille, und eine unglaublich gute Figur …«
    Ich kann mir vorstellen, dass er, Harry, gut aussah in jungen Jahren, männlich, mit markanten Gesichtszügen. Wenn man sich die Tränensäcke wegdenkt, die ihn so ernst und traurig aussehen lassen … wenn man die schlaffe Haut unter seinem Kinn straffen würde … das dichte widerspenstige Haar färben würde … der junge Mann, der er einst war, ist immer noch erkennbar, versinkt aber allmählich in den Fluten des Alters.
    »Und sie hatte Feuer«, erzählt er und trinkt einen Schluck Tee. »Sie war so selbstbewusst, Caroline. Sie hat mich nicht gebraucht, doch sie wollte mich, und das war ein ziemlich gutes Gefühl, dass eine Frau wie sie mich haben wollte. Sie hatte viele Freunde in London, ständig waren wir unterwegs zu irgendwelchen Partys oder Pubs oder zum Haus irgendeines vornehmen Pinkels aus ihrem Bekanntenkreis. Wir tranken zu viel, führten ein wildes, ausgelassenes Leben. Für einen Jungen wie mich, der aus einem kleinen Dorf stammte … ich liebte dieses Leben.«
    Liebte dieses Leben , registriere ich. Nicht, liebte sie .
    »Hat sie Sie geliebt?«
    »Wer, Caroline?« Er schmunzelt. »Ich war gut genug fürs Bett.«
    »Was geschah mit Patsy?«
    »Nichts. Sie blieb zu Hause, fand einen Job hier im Ort. Im drauffolgenden Sommer kam ich mit Caroline hierher. Ich wollte angeben mit ihr, schätze ich. Caroline sah aus wie ein Model. Ich wollte, dass die Leute uns zusammen sahen.«
    »Und Patsy hat Sie auch gesehen?«
    »Jawohl.« Er nickt. »Es gab ein riesiges Theater, damals, an dem Abend.« Er hebt den Kopf und lächelt matt. »Wissen Sie noch, wie das ist, wenn man jung ist und aus allem ein Mordsdrama macht? Wenn man dann älter wird und wirkliche Dramen erlebt, versucht man, sie herunterzuspielen, damit es nicht so schlimm für einen ist, aber junge Leute regen sich doch über jede Kleinigkeit auf.«
    Ich muss lachen.
    Harry schiebt mir den Teller mit den Keksen rüber, doch ich schüttle den Kopf.
    »Ich nahm Caroline mit zu einem Dorftanz, obwohl sie da schon angefangen hatte, die Nase hoch zu tragen und sich dauernd darüber zu beklagen, in was für ein ödes Kaff ich sie da geschleppt hätte und dass sie es nicht erwarten könne, wieder von hier wegzukommen. Patsy schaute immer wieder herüber zu unserem Tisch. Ich sah ihr an, dass sie außer sich war. Sie war nie gut darin, ihre Gefühle zu verbergen. Jedenfalls erzählte dann mein Kumpel Brendan Caroline, dass Patsy eine alte Freundin von mir sei, woraufhin Caroline sich nicht sehr nett gegenüber Patsy aufführte. Caroline und ich gerieten deswegen kurz darauf in Streit. Wir hatten beide viel getrunken. Zu meiner eigenen Überraschung stellte ich fest, dass ich wütend auf Caroline war, wegen der Art, wie sie Patsy runtergemacht hatte. Vielleicht bedeutete Patsy mir mehr, als ich ahnte. Ich weiß es nicht. Aber es war der schlimmste Streit, den wir je hatten, und das will was heißen. Caroline hatte die Angewohnheit, handgreiflich zu werden, wenn ihr etwas nicht passte. Einmal ist mir dabei sogar die Lippe aufgeplatzt. Alles war voll Blut.«
    »Ach du meine Güte!«
    »Es war halt einfach eine dieser Beziehungen«, sagt Harry nüchtern. »Zu viel Leidenschaft und zu viel Zorn und … einfach zu viel von allem. Es war wie eine Sucht. Es gab Tage, da wollte man mit keinem anderen Menschen auf der Welt zusammen sein und andere, wo du den Anblick des anderen nicht ertragen konntest. Kennen Sie solche Beziehungen?«
    Eigentlich nicht, aber das gebe ich nicht zu. Ich betrachte seine graumelierten Bartstoppeln und seine alte, ausgeleierte Strickjacke und frage mich, wo all die Leidenschaft geblieben ist.
    Harry lächelt dünn. »Sie geben mir das Gefühl, steinalt zu

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