Die Verborgenen
war nichts weiter als eine kleinere Version des Hauptraums. Die Wände besaßen sogar dieselbe alte Holzverkleidung. Hier gab es genügend Platz für einen einzelnen Autopsietisch, um den herum man sich frei bewegen konnte, sowie für Regale und Schränke an den Wänden.
Robin bedauerte bereits ihre Entscheidung, der Bitte von Bryan und Pookie nachgegeben zu haben. Die Arbeit am Tatort überstürzt hinter sich zu bringen und den Tatort zu verlassen , entsprach kaum dem Verhalten, das man von einer Leitenden Gerichtsmedizinerin erwarten konnte. Und erst jetzt wurde Robin klar, dass die beiden ihr nicht den Hauch eines Beweises für ihre Behauptungen geliefert hatten.
Hatte sie wirklich geglaubt, sie liebte Bryan nicht mehr? Sie würde alles für ihn tun; so war es immer gewesen, und so würde es wahrscheinlich auch immer sein. Er erwiderte ihre Liebe nicht, und das tat weh, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass sie niemals in der Lage sein würde, ihn gehen zu lassen.
Oder wie Pookie Chang sich ausdrücken würde: Unerwiderte Liebe ist schlimmer als schmerzende Eseleier.
Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
Trotz Rich Verdes Beschreibung war sie davon überzeugt, dass der Tote vor ihr nicht Bobby Pigeons Killer sein konnte. Auf dem Tisch lag die Leiche eines völlig heruntergekommenen Typen, einschließlich Bierbauch und allem, was dazugehört. Dieser Mann hatte ganz einfach nicht die Kraft besessen, um ein Beil durch Bobbys Schlüsselbein, einen Teil seines Schulterblatts und drei Rippen hindurch zweieinhalb Zentimeter tief in sein Brustbein zu graben. Ebenso zweifelte sie daran, dass der Oberkörper des Bärtigen kräftig genug war, um Oscar Woody einen Arm auszureißen. Außerdem – und das war das Wichtigste – war sein Gebiss vollkommen normal; seine Schneidezähne standen nicht so weit auseinander, dass sie die Abschürfungen auf Oscars Knochen hätten hinterlassen können.
Also hatte dieser Mann weder Bobby noch Oscar umgebracht.
Robin klappte ihren Gesichtsschutz nach unten. Sie trat auf einen Schalter, der ihren Audiorekorder in Gang setzte, und nahm ein Skalpell von einem Tablett neben dem Tisch.
»Beginn der Autopsie des Unbekannten. Männlicher Kaukasier, schätzungsweise dreißig Jahre alt. Einhundertsechsundachtzig Zentimeter groß, einhundertvier Kilo schwer. Die Person scheint durch das Eindringen eines Pfeils ins Herz verstorben zu sein.«
Sie sah zwei kleine, rosafarbene Narben auf seiner Brust, die wie winzige Runzeln wirkten. Ihre behandschuhten Finger strichen darüber. Draußen in Regen und Dunkelheit waren sie ihr nicht aufgefallen. Konnten das … nein, die Vernarbung war fast abgeschlossen. Es konnte sich nicht um Wunden handeln, die die beiden letzten Kugeln Bobby Pigeons hinterlassen hatten.
»Im linken Pektoralmuskel des Unbekannten befinden sich augenscheinlich zwei Stichwunden, die ihm möglicherweise vor einer Woche beigebracht wurden. Die erste befindet sich auf zwei Uhr, zehn Zentimeter von der linken Brustwarze entfernt, die zweite auf sieben Uhr und sieben Zentimeter von der rechten Brustwarze entfernt.«
Sie warf einen Blick auf ihre Notizen, um die Position der beiden Wunden zu überprüfen, die von den Schüssen stammten, welche Bryan von hinten auf den Unbekannten abgegeben hatte. Abgesehen von diesen beiden Wunden und denen auf der Brust wies der Mann am ganzen Körper keine einzige Narbe auf.
Aber die fast völlig vernarbten Brustverletzungen der Leiche … Hatte Robin auf den Röntgenaufnahmen irgendetwas gesehen?
Sie beugte sich hinüber zu dem tragbaren Computer, der auf einer Arbeitsfläche neben dem Porzellantisch stand, und klickte die Röntgenaufnahmen an. Ein heller weißer Fleck schimmerte direkt unter der verheilten Wunde neben der rechten Brustwarze des Toten. Konnte das eine Kugel sein?
Bobbys Kugel?
Sie schüttelte den Kopf. Bryan hatte den Mann zweimal in den Rücken geschossen. Eine seiner Kugeln war wahrscheinlich von einer Rippe abgeprallt und an dieser Stelle steckengeblieben.
Wieder sah sie sich die Röntgenaufnahmen an. Das war seltsam. Es gab drei weiße Flecken.
Aber Bryan hatte nur zwei Schüsse abgegeben.
Es gab noch etwas auf dem schwarzen, weißen und grauen Bild, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
»Die Rippen des Verstorbenen wirken kräftiger als erwartet. Genau genommen scheinen alle Knochen ungewöhnlich kräftig zu sein. Möglicherweise ist die hohe Dichte des Knochenmaterials auf eine Mutation des
Weitere Kostenlose Bücher