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Die Verborgenen

Die Verborgenen

Titel: Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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abgewonnen. Jetzt wirkte er besiegt und war in sich zusammengesunken, als hätte ihn jemand in den Rücken gestochen, und seine Seele wäre durch diese Wunde aus seinem Körper geströmt.
    Bryan war hin- und hergerissen. Ein Teil in ihm hasste diesen Menschen mit jeder Faser seines Wesens, während ein anderer Teil Mikes Schmerz sah und sich an all die Liebe erinnerte, die ihm in seiner wundervollen Kindheit geschenkt worden war. Er wollte den Mann vor sich schlagen. Und genauso sehr wollte er ihn umarmen. Doch das würde er nicht mehr tun. Nie wieder.
    »Du bist nicht mein Vater«, sagte Bryan. »Du warst es nie. Besuch mich nicht. Ruf mich nicht an. Du bist für mich gestorben.«
    Mikes Kopf sank herab. Sein großer Körper zuckte schwach, als er zu weinen begann.
    Bryan wischte sich seine eigenen Tränen ab, als er sich umdrehte. Der Buick roch nach Bier. Er stieg ein und fuhr davon. Scheiß auf Mike Clauser. Was Bryan betraf, konnte dieser Mann in der Hölle schmoren. Mike hatte nicht die Antworten, die Bryan brauchte.
    Es gab nur noch einen Ort, an dem Bryan diese Antworten vielleicht bekommen würde. Aber nicht im Augenblick. Nicht heute. Er hatte genug von allem. Einfach nur genug.

Ein Besuch im Krankenhaus
    C hief Amy Zou starrte auf Jebediah Erickson hinab. Er sah so viel älter aus als bei ihrer letzten Begegnung. Kein Wunder, denn die lag sechsundzwanzig Jahre zurück. Damals war er gerade aus der Anstalt gekommen.
    Die Anstalt, in die sie ihn selbst geschickt hatte.
    Einst war Amy eine rotznasige Anfängerin gewesen, die alles besser wusste als die älteren Cops. Sie und Rich hatten die einzelnen Puzzleteile zusammengesetzt, hatten die Symbole mit den silbernen Pfeilspitzen in Verbindung gebracht, Alder Jessup aufgespürt und selbst dann noch Belastungsmaterial gegen Jebediah Erickson gesammelt, als ihre Vorgesetzten sie mundtot machen und dazu bringen wollten, sich von dem Fall zurückzuziehen. Sie war sogar zum Inspektor befördert worden, was einer Art Schweigegeld entsprach. Sie hatte die Beförderung angenommen, aber sie hatte den Fall nicht aufgegeben. Damals kam es ihr wie poetische Gerechtigkeit vor, dass sie ihre neue Macht benutzte, um ihre Nachforschungen auszudehnen. Sie hatte den passenden Richter gefunden, der sich ihre Sache anhörte. Und sie hatte die richtige Person aus dem Büro des Bezirksstaatsanwalts auf ihre Seite gebracht.
    Damals war Erickson kein alter Mann in einem Klinikbett, der fast unter seinen Verbänden verschwand, während Schläuche in seine Nase und in einen seiner Arme führte. Damals war er der leibhaftige Tod gewesen. Allein ein Blick in seine reuelosen Augen hatte in ihr den Wunsch geweckt, sich zu bekreuzigen.
    Jetzt wirkte er nur noch alt. Narben bedeckten seine Arme, seinen Hals und seine Brust. Hässliche Narben, lang und geschwungen, die – als sie noch offene Wunden waren – mit Hunderten von Stichen hatten genäht werden müssen. Dieser Mann war ein Krieger. Die Narben erzählten die Geschichte seiner Schlachten.
    »Gottverdammt, Bryan«, sagte sie. »Du weißt nicht, was du getan hast.«
    Sie hätte Bryan und Pookie viel früher feuern sollen. Pookie konnte die Dinge einfach nicht ruhen lassen. Die Sache mit Blake Johansson war der beste Beweis dafür. Wenn Pookie einen korrupten Cop roch, ließ er nicht mehr locker. Vielleicht hätte sie ihn schon vor Jahren in die Abteilung für polizeiinterne Untersuchungen versetzen sollen.
    Hätten Bryan und Pookie den Fall selbst dann noch weiterverfolgt, wenn sie den beiden die Wahrheit über Erickson und die Monster erzählt hätte? Gemessen an ihrem bisherigen Verhalten lautete die Antwort höchstwahrscheinlich Ja . Die beiden hatten genau das getan, was Amy damals selbst getan hatte.
    Wie viele Menschen waren wegen ihrer Dickköpfigkeit gestorben, nachdem sie dafür gesorgt hatte, dass Erickson in die Klapsmühle eingeliefert wurde?
    Und wichtiger: Wie viele Menschen würden nun sterben, weil Bryan sich genauso verhielt?
    Es war nicht das erste Mal, dass Erickson nicht zum Einsatz kam. Soweit sie wusste, war er zuvor bereits bei zwei Gelegenheiten ernsthaft verletzt worden, doch beide Male hatte er das Krankenhaus bereits einen Tag später wieder verlassen. Diesmal jedoch sah es nicht so aus, als würde er in kürzester Zeit wieder irgendwohin gehen. War er nur alt, oder gab es da noch etwas?
    Hoffentlich würde er sich bald wieder erholen … noch bevor Maries Kinder begriffen, dass sie aufs Neue nach Lust und

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