Die verbotene Pforte
lasse mich dann auch noch niederschlagen. Natürlich erkennen diese Bestien einen magischen Türbauer sofort, wenn sie ihn sehen! Elende Sklaventreiber.«
Tobbs brauchte einige Sekunden, um die eigentliche Bedeutung dieser Worte zu begreifen. Außer Wanja gab es also noch andere Menschen, die magische Türen zusammenzimmern konnten!
»Du baust Türen in andere Länder! Und das haben die Krieger sich zunutze gemacht?«
Janus nickte missmutig.
»Und dann hast du dir selbst eine Tür gebaut, um ihnen zu entfliehen? Nach Tajumeer?«, fragte er den alten Mann.
Janus lachte leise und, wie Tobbs schien, ein wenig schadenfroh.
»Der einzige Vorteil, wenn man über Götter so gut Bescheid weiß wie ich«, meinte er. »Hab lange im Olymp von Kandara gearbeitet. Deshalb weiß ich, wie sie ticken. Ja, ich habe mir für meine Flucht das Atoll der Haigötter ausgesucht. Erstens, weil die Domaner mich ohnehin schon mal gezwungen hatten, eine Tür nach Tajumeer zu schreinern, und zweitens, weil die Haigötter besonders wütend werden, wenn man ihr schönes Atoll mit Waffen entweiht.«
Er seufzte erleichtert auf, während Tobbs vor Schreck die Luft anhielt. Unwillkürlich sah er Wanja und Jaga vor sich – durchbohrt von roten Pfeilen. »Die Domaner haben dich schon mal eine Tür nach Tajumeer bauen lassen?«, flüsterte er. »Auf eine Insel vielleicht? Erst vor Kurzem?«
»Jepp«, kam die gleichgültige Antwort.
»Und was … wollten sie dort?«
»Na was wohl! Krieg führen, plündern, was weiß ich. Ich habe die Chance genutzt und habe in einem unbeobachteten Moment diese zweite Tür zum Atoll gebaut, um mich selbst zu retten. Solange die Krieger damit beschäftigt wären, die Insel einzunehmen, würden nicht mehr ganz so viele da sein, um einen entflohenen Sklaven zu verfolgen. Und die Rechnung ist ja auch aufgegangen.«
Tobbs richtete sich auf und spähte zum Horizont. Die Rauchsäule war dabei, endgültig zu verwehen, doch die glimmenden Überreste heruntergebrannter Bäume blinkten als greller glutroter Streifen auf der Wasserlinie. Tobbs schluckte die Tränen herunter und sah blinzelnd ins Wasser. Zwei weiße Haie eskortierten sie. Doch das, was das Boot vorantrieb, war ein gläsernes Wesen, das immer wieder die Gestalt wechselte. Nur der Regenbogenglanz, der sich auf ihm spiegelte, verriet seine Umrisse. Gerade war es ein glasklarer Riesenhai gewesen, nun fuhren glänzende Krakenarme durch das Wasser. War das vielleicht Mauis Riffprinzessin?
»Wie weit ist es bis zum Tajumeer-Festland?«, erkundigte sich Janus und spielte nervös am Griff seiner Axt herum, die er sich mit einem Lederriemen über die Schulter gehängt hatte. »Und wer bist du überhaupt? Gehörst du zu den Göttern?«
Tobbs lachte bitter. »Alles andere als das. Ich bin nur ein Reisender.«
»So?« Janus drehte sich um, und Tobbs stellte fest, dass der doppelgesichtige Schreiner ihm die ganze Zeit den Rücken zugekehrt hatte. Offenbar konnte er auch die Ellenbogen in jede Richtung bewegen wie Scharniere.
Es war Mautschi-Iau.
Wanjas Insel! Jagas Insel!
Sobald das Boot über den Sand schabte, fiel Tobbs mehr, als er sprang, von Bord und rannte los. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, schüttelte es ihn vor Entsetzen.
Jagas Hütte war nur noch Feuerholz. Knochen, Reisig, die magische Tischplatte, Gefäße, Töpfe – alles war ein einziger verkohlter Haufen. Und daneben entdeckte Tobbs unheimliche Fußspuren. Es sah aus, als wären Leute mit kantigen Holzschuhen über die Insel gestürmt. Pfeile steckten in den Stämmen der Sternblattbäume. Und mitten in dem Chaos lag eine rusanische Tümpelnixe.
Tobbs wusste sofort, wen er vor sich hatte, obwohl er solche Nixen nur aus Wanjas Erzählungen kannte. Sie hatte blaues Haar und eine Haut, die durchsichtig und grau wirkte. Ihre Lippen glichen einem starren Fischmaul. Sie sah so leblos aus, dass Tobbs mit kaltem Schrecken begriff, dass sie tatsächlich tot war. Und dieses endgültige Totsein hatte nichts mit den munteren Toten zu tun, die in der Taverne herumliefen.
»Schockschwerenot!«, flüsterte Janus. »Das war die Geisel aus Rusanien.« Fassungslos sah er sich um. »Wir sind auf der Insel, zu der ich die Tür bauen musste. Durch die bin ich allerdings nicht gegangen, sondern habe die zweite Tür als Fluchtweg gebaut. Da hat die erste Tür gestanden!« Er deutete auf eine erhöhte Stelle im Sand. Holz lag dort. Und in dem, was früher der Türstock gewesen war, zeigte sich der zackige
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