Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
Vom Netzwerk:
Abdruck eines Bisses. Haifischzähne hatten das Holz zermalmt.

DIE TÜR ZUR QUELLE
    Der Morgen brach genauso rosagolden an wie an jedem anderen Tag. Im milden Licht der ersten Stunde nach Sonnenaufgang sahen sogar die Trümmer aus wie eine kunstvoll drapierte Schiffbruch-Dekoration. Doch weder von Wanja oder Jaga noch von Mauis Musikerinnen fand Tobbs auch nur die geringste Spur. Er irrte schniefend und heulend bereits seit Stunden herum und suchte unermüdlich. Die tote Nixe hatte er mit einigen Blättern des Sternblattbaums zugedeckt; in der Sonne roch es trotzdem streng nach Fisch. Sie ins Meer zu bringen, um sie in ihrem Element zu begraben, wagte er nicht. Bei dem Gedanken, dass die Haie die Tote fressen würden, wurde ihm ganz anders. Auch von den fremden Kriegern fehlte jede Spur. Erst als mit der ersten Flut einige zerrissene rote Stofffetzen an den Strand gespült wurden, ahnte Tobbs, was für ein Ende die Schlacht genommen hatte. Aber wo war Wanja abgeblieben?
    Tobbs wischte sich die Tränen von der Wange. Seine Haare fielen ihm inzwischen wieder über die Augen und auf die Schultern. Fahrig strich er sich eine lange Strähne hinter das Ohr. Am anderen Ende des Strands leuchtete ein weißer Punkt: Janus. Der Doppelgesichtige stöberte in den Trümmern. Eine große Hilfe war er allerdings nicht, denn er kümmerte sich ausschließlich um seinen eigenen Kram. Und über die Doman-Krieger wollte er nicht mehr erzählen, als er ohnehin schon gesagt hatte. Gerade war er dabei, vor einem der Felsen einen ganzen Berg einigermaßen unversehrter Hölzer aufzuschichten.
    Nun, Tobbs konnte sich die Ereignisse der vergangenen Stunden auch selbst zusammenreimen: Die Reiter mussten in Rusanien auf eine der Flussnixen gestoßen sein und sie dazu gezwungen haben, ihnen zu verraten, wohin Jaga sich geflüchtet hatte. Auf die Insel Mautschi-Iau. Der Weg durch den Tümpel hatte den Kriegern offenbar nicht zugesagt. Möglicherweise hatte es eine Schlacht gegeben und sie hatten nur eine Nixe als Gefangene nehmen können. Vielleicht waren sie auch nur wasserscheu. Auf jeden Fall suchten sie den Schatz.
    Gedankenverloren schob Tobbs einen zerbrochenen Stuhl beiseite und setzte sich in den Sand. Getrocknete Herbstblätter aus dem Roten Land lagen überall verstreut, Blutspritzer zeugten von einem unerbittlichen Kampf.
    Ein Rascheln ließ ihn aufhorchen. War dort jemand? Wanja? Jaga? Tatsächlich entdeckte er ein wohlbekanntes Gesicht. Allerdings nicht das, nach dem er so sehr suchte. Sondern Mako.
    In seiner mehr oder weniger menschlichen Gestalt saß der Haigott auf einem der Felsen und betrachtete gleichgültig das Chaos.
    »Gug’n Moog’n«, grüßte er undeutlich. Dann verzog er das Gesicht und zupfte mit angewiderter Miene ein erstaunlich langes rotes Stück Stoff zwischen den Zähnen hervor. Ein Ärmel! Es klirrte, dann spuckte Mako in hohem Bogen einen Ring vor Tobbs’ Füße. »Widerlich«, zischte er und rülpste.
    Tobbs hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Angeekelt schielte er auf das verbeulte Schmuckstück aus Silber.
    »Habt ihr alle … Krieger gefressen?« Er hörte es nicht selbst, aber in seiner Kehle spürte er, wie er wieder knurrte und heisere Laute von sich gab. Irgendwo in seinem Inneren regte sich der andere, unbekannte Teil von Tobbs und wollte mit aller Gewalt an die Oberfläche.
    Mako lachte wieder das beängstigende Hailachen. Tobbs hätte sich nicht gewundert, wenn zwischen den messerscharfen Zähnen irgendwo noch der Finger gehangen hätte, der früher den Ring getragen hatte.
    »Die Hundehaie haben sich jedenfalls gefreut«, antwortete Mako. Dann verschwand jede Spur von Humor aus seinem Gesicht. »War das dein Plan, Tatau-Betrüger? Wolltest du uns in Sicherheit wiegen, damit die Fremden auf den verfluchten Inseln brandschatzen und plündern können? Rück endlich mit der Wahrheit raus: Was sucht ihr?«
    »Ich bin kein Betrüger«, empörte sich Tobbs. »Und mit den Kriegern haben wir nichts zu tun. Sie haben Wanja umgebracht, geht das in deinen Schädel? Umgebracht! Und ihre Tante auch!«
    Einen Haigott anschreien. Auch eine neue Erfahrung. Doch das Haiwesen schien ihm seinen Wutausbruch weit weniger übel zu nehmen, als Tobbs befürchtet hatte.
    »Warum folgen sie euch dann?«, fragte er nur.
    Er sprang vom Felsen und verwandelte sich im Fallen endgültig in einen Menschen, der von einem gewöhnlichen Tajumeeren kaum zu unterscheiden war. In dieser Gestalt war er ein schlanker

Weitere Kostenlose Bücher