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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Schneider. Die Mode in Katuro wechselte, so schien es Tobbs, im Tag- und Nachtrhythmus. In den Warenhäusern – große Hallen aus Holz – hingen die neuesten Modelle der Gewänder von den Decken. Münzen klimperten tagaus, tagein über die Ladentische.
    Doch sosehr Tobbs auch suchte und fragte, in der ganzen Stadt gab es kein einziges Haus mit grünem Dach. Und immer wieder spürte er auf seinen Streifzügen ein unangenehmes Kribbeln im Nacken, so als würde er beobachtet.
    Drehte er sich dann blitzschnell um, erkannte er nur noch die goldenen Augen des fremden Mädchens, das sofort darauf im Schatten eines Gebäudes oder hinter einem Schild aus seinem Blickfeld verschwand.
    Abends fiel er dann erschöpft auf die schmale Reisstrohmatte und träumte davon, nie wieder zur Taverne zurückzufinden. Und wenn er morgens aufwachte, galt sein erster Blick der Uhr. Nur noch wenige Tage bis zum Ablauf ihrer Frist, und er hatte immer noch keinen brauchbaren Hinweis!
    Anguana dagegen blühte auf. Wenn Tobbs morgens verschlafen aus seiner Kammer kroch, übte sie bereits in der Gaststube mit den Flamencospielern die neuesten Schritte. Nacht für Nacht tanzte sie – und zwar keineswegs nur im Cho-Babadoo. Immer öfter verschwand sie mit Ankou Arnold im taghellen Nachtleben von Katuro. Zur Wahrung ihrer falschen Identität trug sie inzwischen eine schwarze Perücke und ein domanisches Kleid mit breitem Seidengürtel. Inzwischen bewegte sie sich so sicher durch die Stadt wie eine Einheimische. Kaum zu glauben, dass sie in den einsamsten aller Berge groß geworden war.
    Niemand sprach von den Tanukis oder dem magischen Wald, so als wäre Katuro von der Welt abgeschnitten, als versuchten die Bewohner, unter ihrer Glocke von Licht alles Unangenehme zu verdrängen. Nur manchmal, tief in der Nacht, hörte Tobbs in der Ferne das bedrohliche Heulen der Himmelhunde und fröstelte.
    Eines Nachts träumte er von Inaris Füchsen und der weißen Schlange. Sie zog sich um seine Handgelenke zusammen wie eine Fessel. »Du bist ein Wassertropfen in siedendem Öl«, hörte er die Stimme von Orakelfuchs Nummer eins. »Schwertspitze mit schwarzem Unglücksblut. Sandergiftholz, noch zu grün.«
    Erschrocken fuhr er hoch und blinzelte. Es war bereits Morgen, die Flamencogitarren schrubbelten einen dramatischen Akkord. Und im selben Takt klopfte etwas mit viel Nachdruck gegen seine Stirn.
    Tobbs schlug danach und erwischte einen orange-roten Leuchtfalter, der sofort zu Boden taumelte. Seine Flügel klappten zu und wieder auf. Goldene Augenflecken blickten ihn an. Und darunter zeichneten sich in spinnendünner Schrift einige Worte ab:
    Gefahr! Verlasse die Stadt, solange noch Zeit ist!
    »Das hat sicher nichts zu bedeuten«, meinte Anguana und beschleunigte ihren Schritt. Sie waren auf dem Weg zur Festprozession. »Arnold hat erzählt, dass es Verrückte gibt, die den ganzen Tag nur Drohfalter verschicken. Manche versenden sogar Kettenmotten, die man füttern soll, bis sie sich vermehren, und dann weiterschicken muss, sonst droht Unglück. Arnold sagt, die Stadtleute sind sehr abergläubisch …«
    »Arnold! Arnold! Seit Tagen geht es nur noch darum, was er sagt!«, brauste Tobbs auf. »Du lachst über seine Witze, du tanzt in jeder freien Minute mit ihm – und glaube nicht, ich hätte nicht mitgekriegt, dass ihr heute Abend ins Arachnorama gehen wollt. Hast du vergessen, warum wir hier sind?«
    »Scht!«, warnte ihn Anguana. »Wir sollen doch nicht auffallen.«
    Tatsächlich drehten sich einige Leute nach Tobbs um. Rasch senkte er den Blick.
    Die Menschenmenge drängte sie weiter, immer die Hauptstraße entlang in Richtung des Fürstenpalasts, wo heute die große Prozession zu Ehren der Göttin Amaterasu stattfinden sollte.
    »Reg dich nicht auf, Tobbs«, murmelte ihm Anguana versöhnlich zu. »Ich habe überhaupt nichts vergessen! Was meinst du, warum ich mit Arnold in die Stadt gehe? Wir forschen nach dem Haus mit dem grünen Dach. Er kennt so viele Leute, und alle suchen mit.«
    Sie hakte sich bei ihm unter und schenkte ihm ein Lächeln, das ihn wieder ein wenig besänftigte. Unter der Verkleidung war sie offenbar immer noch die Anguana aus den Bergen. Und dennoch – irgend-etwas hatte sich verändert.
    »Anguana?«
    »Hm?«
    »Hat dein Orakel … hat es irgendetwas über Arnold gesagt? Ich meine …«
    Die Art, wie Anguana errötete und zu lächeln begann, trieb Tobbs die Galle in die Kehle.
    »Vielleicht, wer weiß?«, meinte das

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