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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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neben dem Schrein an einem Metallring in der Wand befestigt und schwebte in der Luft. Einige hellblau und schwarz gefleckte Mäuse machten sich einen Spaß daraus, an der Wand hochzuklettern und mit einem Satz auf dem Ast zu landen. Manche nutzten den Ast als Sprungbrett in eine Milchschüssel, die am Boden stand. Das war also das Platschen, das Tobbs eben gehört hatte. Er blinzelte noch einmal.
    Er war in einer fremden Stadt, irgendwo in Yndalamor. Und die Bewohner hatten ihn in den Tempel gebracht, weil sie ihn – wie hatten sie es genannt? – für einen vom Himmel Gefallenen hielten. Nun saß er in einer Art türenlosem Tempelkerker und die Stille deutete möglicherweise darauf hin, dass es Nacht war.
    Aber selbst wenn er Stunden geschlafen hatte, waren in der Taverne kaum mehr als einige Minuten vergangen. Noch trank Kali also in aller Ruhe mit Dopoulos Tee. Weitaus dringlicher war das Problem namens Sid. Hatte der Dämon den Wagen und den Mancor in Sicherheit gebracht? Möglicherweise war Sid schnurstracks zur Taverne zurückgekehrt und hatte Dopoulos Bescheid gesagt. Dann würde es Ärger geben. Noch mehr Ärger als jetzt, um genau zu sein.
    Tobbs bewegte sich und schrak zusammen, als er ein lautes Klappern hörte. Erst nach einigen Sekunden begriff er, dass das Klappern von ihm selbst ausging. Immer noch trug er die Kappe und das Gestell über seinen Augen. Außerdem hatte ihm jemand diese Schulterkappen angelegt. Tobbs nahm das Gestell von der Nase herunter. Sofort wurde es im Raum so hell, dass er blinzeln musste. Die himmelblau-schwarzen Mäuse hatten sich in schwarz-weiße Mäuse verwandelt. Neugierig betrachtete Tobbs seine »Rüstung«. Die Schulterkappen und der Helm waren aus Holz. An einigen Stellen war der Lack zerkratzt, so als sei ein scharfes Messer daran abgerutscht. Tobbs fuhr mit dem Finger über eine Scharte und zuckte zurück. Im Helm steckte ein winziger Spiegelsplitter. Ob die Bewohner der Stadt die Helme trugen, um sich vor den herabfallenden Scherben zu schützen? Das würde auch das Gestell vor den Augen erklären – wenn sie zum Himmel schauten, konnten so auch keine Splitter ihre Augen verletzen.
    »Du bist also der vom Himmel Gefallene?«, raunte eine Frauenstimme. Sie war dunkel und warm und schien aus dem ganzen Raum zu kommen.
    Tobbs glaubte etwas aus seinem Augenwinkel davonhuschen zu sehen – einen flimmernden orangefarbenen Streifen, aber als er sich auf dem Absatz umdrehte, war er weg. Stattdessen ertönte ein Lachen. Da, im Spiegel gegenüber dem Schrein! Etwas Farbiges leuchtete darin auf und verschwand. Tobbs blickte sich um.
    »Wo … wo bist du? Komm heraus!«
    »Komm du doch herein«, forderte ihn die Stimme auf.
    Tobbs ging näher an den Spiegel heran. »Bist du … noch da?«
    »Schau genau hin. Und betrachte dich selbst! Vielleicht siehst du mich dann auch im Spiegel.«
    Tobbs beugte sich noch ein Stück vor. Er stand nun genau vor dem Spiegel, doch seltsamerweise sah er sich gar nicht. Nur eine verschwommene, wolkig dunkle Fläche schwebte vor ihm.
    »Erstaunlich«, bemerkte die Frauenstimme. »Du hast kein Spiegelbild.«
    »Das bist du, oder?«, fragte Tobbs. »Du stiehlst mir das Spiegelbild – bist du ein Spiegelgeist?«
    »Nichts weniger als das«, erwiderte die Stimme leicht eingeschnappt. »Das, was du vor dir siehst – oder auch nicht siehst –, bist immer noch du selbst.«
    Tobbs runzelte die Stirn und hob die Hand. Das wolkige Ding im Spiegel waberte auf und ab. Er nahm schräge Augen wahr – gefährlich wirkten sie, als würden sie auf Beute lauern. Nein, das konnte nicht sein Spiegelbild sein!
    »Dann stimmt etwas mit dem Spiegel nicht«, sagte er.
    Die Stimme kicherte. »Etwas stimmt mit dir nicht, mein Junge. Der Spiegel zeigt dir nur deine wirkliche Gestalt.«
    »Das da bin ich aber ganz bestimmt nicht!«
    »Ach wirklich?«, spottete die Stimme. »Na, was bist du dann?«
    »Na, ein Mensch. Ich habe schwarze Haare und …«
    Lachen erklang. Und als hätte jemand das Licht in einem dunklen Raum angemacht, erschien direkt vor ihm eine Frau im Spiegel. Sie war alt und ihre Haut war dunkel wie schwarze Erde. Als Kleid trug sie ein orangefarbenes Tuch, das sie sich um den Körper geschlungen hatte. Es musste ein großes Tuch sein, denn die Frau war gewaltig. Zumindest, wenn man annahm, dass der Spiegel kein Zerrspiegel war. Dopoulos hätte sie sicher als Türwächter eingestellt. Die Frau musterte Tobbs aus beunruhigenden Augen – eines

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