Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
großen Feuerwolke und schwingt ein Schwert, das Berge vom Erdboden fegen kann.«
    »Im Augenblick sitzt sie bei mir zu Hause und trinkt Tee«, erwiderte Tobbs. Beinahe hätte er gelacht. »Außerdem reitet sie keine Feuerwolke, sondern fährt seit Neuestem einen fliegenden Streitwagen. Und wenn sie in nächster Zeit etwas zerstören wird, dann höchstens mich – falls die Schwärme nicht schneller sind.«
    »Was redest du da? Bist du auf den Kopf gefallen? Die Göttin und Tee trinken – pah! Wenn sie etwas trinkt, dann ist es Blut aus den Schädeln ihrer Opfer!« Erstaunlich behände nahm Mamsie Matata neben Tobbs auf dem Boden Platz und legte ihm eine Hand auf den schattigen Arm. Die Wärme ihrer Finger tat gut. »Es ist schade um dich, weißt du? Irgendwie mag ich dich. Die anderen vom Himmel Gefallenen waren allesamt entweder eingebildet, verrückt oder fingen vor Angst an zu schreien und zu heulen. Dabei bringt das gar nichts. Nur, dass die Priester sie dann knebeln und fesseln, bis sie dran sind.«
    Tobbs schluckte schwer und blickte in Mamsie Matatas verwirrende Augen. »Wann … bin ich denn dran?«
    »Beim Opferblütenfest in zwei Tagen.«
    »Fällt jedes Mal, wenn ein Fest stattfindet, ein Menschenopfer vom Himmel?«
    Mamsie Matata schüttelte geduldig den Kopf. »Kein Mensch weiß, wann die guten Götter der Stadt ein Opfer schenken. Mit denen, die außerhalb der Festzeit herunterfallen, wird kein langes Brimborium gemacht. Du weißt – sobald die Schwärme wieder mal Futter bekommen, ist einige Zeit Ruhe. Manchmal einen ganzen Mondlauf lang. Dann ist die Stadt wirklich ein sehr netter, ruhiger Ort. Das dachte ich auch, als ich hier ankam. Gute Musik, flippige Leute, interessante Geschichten. Na ja. Hätte ich damals gewusst, wo man hier enden kann, hätte ich zugesehen, dass ich so schnell wie möglich weiterkomme.« Sie erhob sich und lächelte ihm aufmunternd zu. »Na komm, steh auf, Kleiner!« Tobbs ließ es zu, dass sie ihn an der Hand fasste – zumindest spürte er, wie sie in das Wolkengebilde am Ende seines Arms griff – und ihn sanft auf die Beine zog. »Ich gebe dir einen guten Rat: Wenn sie kommen, dann sag ihnen, was sie hören wollen. So hast du zumindest noch zwei Tage, die du komfortabel und ohne einen Knebel im Mund verbringen kannst.«
    Sie packte ihn bei den Schultern und schubste ihn gegen den Spiegel.
    Das Zurückgleiten in seinen starren Körper war unangenehm – es war, als hätte er viel zu lange Zeit bewegungslos und angespannt dagestanden. Seine Knie gaben einfach nach und er sank zu Boden. Nie hatte er sich schutzloser gefühlt. Mamsie Matata war erloschen. Stattdessen glotzten ihn nun alle Spiegel an.
    Tobbs kroch unter Mamsie Matatas Spiegel, lehnte sich an die lackierte Wand und zog die Knie bis unters Kinn. Seine Kehle war trocken, aber er war heilfroh, wieder Finger und Arme und ein Kinn zu haben – auch wenn dort schmerzhaft eine Prellung pochte. Das alles hier musste ein schrecklicher Traum sein! Wanja hätte ihm doch gesagt, wenn er kein Mensch wäre! Die Spiegel verschwammen vor seinen Augen und plötzlich heulte und schniefte er vor Wut und vor Selbstmitleid. Natürlich konnte er Sid die Schuld geben, aber der Punkt war, dass er, Tobbs, der Ältere war. Er hatte die Verantwortung für das Dämonenkind gehabt – und er war es gewesen, der sich hatte überreden lassen, auf Kalis Streitwagen zu steigen. Trotzdem – wenn er Sid noch einmal in die Finger bekäme, würde er ihn weichprügeln, bis er keiner Schlange, sondern einem Plattwurm glich.
    Aus dem Spiegel, der ihm genau gegenüberstand, starrte ihn ein Greisengesicht an.
    »Was glotzt du so?«, fuhr Tobbs den Alten an. »Kümmere dich um deinen eigenen Kram, verstanden?« Das Gesicht verschwand so schnell, als hätte jemand eine Kerzenflamme ausgepustet.
    Die Mäuse fiepten leise – wahrscheinlich war das ihre Art zu kichern. Inzwischen saßen sie alle auf dem schwebenden Eichenast und genossen die Aussicht.
    Tobbs vergrub die Finger in seinem Haar. Er war allein. Und nicht nur das – zu allem Überfluss war er offenbar irgendetwas Wolkiges mit schrägen, orange-goldenen Augen und ohne Finger. Möglicherweise waren seine Eltern ja Dämonen? Im Augenblick wäre ihm das mehr als recht gewesen, denn die Schwärme gierten ja ausschließlich nach Menschenfleisch, oder etwa nicht? Fieberhaft überschlug er seine Möglichkeiten. Er hatte sein Schnitzmesser, gut verstaut in der zugeknöpften Innentasche

Weitere Kostenlose Bücher